an der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule in Göttingen
Das Kollegium mitnehmen – schulinterne Fortbildung als Motor für Schulentwicklung
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Susanne Lührs
„KI an Bord, du am Steuer“ – mit diesem Leitspruch hat eine Arbeitsgruppe der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule ihre Haltung zur Künstlichen Intelligenz auf den Punkt gebracht. Denn klar ist: Digitale Technologien und KI verändern den Bildungsalltag – tiefgreifend, schnell, mit offenen Fragen und großen Potenzialen. Für eine Schule wie unsere, in der das gemeinsame Lernen in heterogenen Gruppen im Mittelpunkt steht, ist das Chance und Herausforderung zugleich.
Wie kann Lernen mit digitalen Mitteln so gestaltet werden, dass niemand abgehängt wird? Wie gelingt es, KI-Kompetenzen nicht nur zu fordern, sondern tatsächlich zu fördern – bei Lehrkräften, Schüler:innen und Eltern? Und wie bewahren wir dabei das soziale, kooperative Lernen als Herzstück unserer Schulkultur?
Schon früh wurde seitens des Kollegiums und der AG „Digitales“ damit begonnen, eine Diskussion darüber anzustoßen, wie wir als Schulgemeinschaft mit KI umgehen wollen – und was wir brauchen, um souverän, kreativ und pädagogisch reflektiert damit zu arbeiten. Herausgekommen ist eine fünfteilige Fortbildungsreihe, in der sich unsere Lehrkräfte intensiv mit unterschiedlichen Aspekten von KI im Schulalltag auseinandergesetzt haben. Der Artikel gibt einen Einblick in dieses Format, unsere Erfahrungen damit und wie daraus ein gemeinsamer Lern- und Entwicklungsprozess entstanden ist – getragen von dem Anspruch, Bildungsgerechtigkeit auch im digitalen Zeitalter aktiv voranzubringen.
Unsere Fortbildungen wurden von Kolleg:innen aus dem eigenen Haus entwickelt und durchgeführt – nicht mit externen Referent:innen. Dadurch konnten die Themen gezielt auf unsere schulischen Fragen und Herausforderungen zugeschnitten werden. Gleichzeitig entstand durch die gemeinsame Arbeit ein Raum, in dem Kolleg:innen sich offen, praxisnah und mit gegenseitiger Unterstützung dem Thema KI nähern konnten.
Die Reihe umfasste fünf aufeinander aufbauende Termine, die jeweils verschiedene Perspektiven auf den Einsatz von KI im Schulalltag eröffneten – von den Grundlagen bis hin zu ethischen Fragen und Zukunftsvisionen. Im Mittelpunkt stand dabei immer das Prinzip: Input, ausprobieren, reflektieren, ins Gespräch kommen. Durch den zeitlichen Aufbau war es den Teilnehmenden möglich, zwischen den Terminen Neues auszuprobieren und Erfahrungen mit in den Folgetermin zu bringen.
Gleich zu Beginn stand das eigene alltägliche Handeln im Vordergrund. Unter dem Titel „Lasst uns loslegen“ ging es um die Frage, wie eine KI funktioniert, wie man Prompts optimieren kann und wie KI ganz konkret zur Unterstützung im schulischen Alltag genutzt werden kann, etwa bei der Differenzierung von Aufgaben, der Anpassung von Elternbriefen oder zur Strukturierung von Arbeitsmaterialien. Für viele war das eine erste Gelegenheit, KI-Tools in einem geschützten Rahmen kennenzulernen und einfach auszuprobieren. Denn die Fortbildungsreihe adressierte eben nicht nur diejenigen mit KI-Erfahrung, sondern auch absolute Neulinge. Zu diesem Zweck gab es bei einigen Terminen Gruppenangebote für erprobte „KI-Piloten“ sowie „KI-Entdecker:innen“ und auch eine „Starthilfe“-Gruppe, in der nochmal Fragen zu den Grundlagen gestellt werden konnten. Diese Differenzierung ermöglichte auch in einer thematisch heterogenen Gruppe einen guten Dialog, so dass trotz der Freiwilligkeit eine hohe Konstanz in der Teilnahme zu verzeichnen war.
In den weiteren Veranstaltungen wurde das Thema systematisch erweitert. So rückte etwa die Frage in den Fokus, wie KI auch im Klassenraum eingesetzt werden kann – nicht nur von Lehrkräften, sondern auch von Schüler:innen. Dabei ging es sowohl um technische Voraussetzungen als auch um didaktische Möglichkeiten: Welche Aufgabenformate eignen sich? Wo kann KI das Lernen tatsächlich bereichern? Es rückte aber auch die Frage in den Mittelpunkt, welche Kompetenzen Schüler:innen im Umgang mit KI eigentlich brauchen. Als Ausgangspunkt diente ein Kompetenzmodell (1), das vier zentrale Bereiche unterscheidet: Verstehen, Anwenden, Mitgestalten und Reflektieren. Vor allem im Bereich des Reflektierens wurde diskutiert und schließlich vereinbart, dass jeder KI-Output gemeinsam mit oder durch die Schüler:innen reflektiert werden muss.
Großes Interesse entwickelten die Teilnehmenden der Fortbildungsreihe als das Thema Chatbots aufkam. Die Vorstellung, eigene Bots zu gestalten, individuell an Unterrichtssituationen angepasst, hat nicht nur Neugier geweckt, sondern auch ganz praktische Ideen hervorgebracht – etwa für den Einsatz in Projektphasen, zur Unterstützung von Sprachlernprozessen oder zur Berufsorientierung. Gleichzeitig wurde deutlich, wie wichtig es ist, bei aller Begeisterung den pädagogischen Mehrwert im Blick zu behalten: Wann hilft der Einsatz von KI wirklich weiter – und wann steht er dem kooperativen Lernen im Weg? Wollen wir uns dafür entscheiden, individuelle Lernprozesse durch KI-Bots gestalten zu lassen oder verstehen wir Lernen als soziale Interaktion?
Diese Fragen gewannen noch mehr an Gewicht im Rahmen des vierten Termins, der sich mit rechtlichen und ethischen Aspekten befasste. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Rolle von KI in Rückmeldeprozessen – insbesondere im Kontext von Lernentwicklungsberichten, die an unserer Schule eine zentrale Funktion für individuelle Förderung und persönliche Beziehungsgestaltung haben. Die Diskussion zeigte deutlich: Der Wunsch nach Effizienz darf nicht auf Kosten von Empathie und pädagogischer Sorgfalt gehen. Gerade an dieser Stelle wurde im Kollegium spürbar, wie notwendig ein gemeinsames Werteverständnis im Umgang mit KI ist.
Den Abschluss der Reihe bildete eine Zukunftswerkstatt: Gemeinsam entwarfen die Teilnehmenden Visionen für das Lernen mit KI in fünf Jahren. Welche Rolle wird die KI spielen? Welche Aufgaben werden bei den Lehrkräften bleiben – und welche vielleicht nicht? Was brauchen Schüler:innen, um in einer digitalisierten Welt gut lernen zu können?
Diese Visionen bilden nun die Grundlage für den nächsten Schritt: In einem schulweiten Beteiligungsprozess entsteht in den nächsten Monaten ein gemeinsamer Orientierungsrahmen zum verantwortungsvollen Umgang mit KI. Ziel ist es, grundlegende Prinzipien festzuhalten – etwa Transparenz, Augenmaß und Verantwortung – und diese mit Lehrkräften, Schüler:innen und Eltern abzustimmen. Erste Entwürfe werden an einem SchiLf-Tag von den Jahrgangsteams und der Schüler:innenvertretung diskutiert, kommentiert und weiterentwickelt. Auch die Eltern erhalten im Rahmen einer Abendveranstaltung Gelegenheit, sich zu informieren, selbst praktische Erfahrungen mit KI zu sammeln und an der Entwicklung des „KI-Kodex“ mitzuwirken. Dieses partizipative Vorgehen eröffnet uns die Chance auf eine schulweit abgestimmte Erklärung, die nicht nur Regeln definiert, sondern vor allem Orientierung bietet und eine Haltung sichtbar macht.
Die Fortbildungsreihe hat damit einen wichtigen Impuls gegeben – nicht nur für den Aufbau digitaler Kompetenzen, sondern auch für eine gemeinsame Verständigung darüber, wie wir als Schule mit KI umgehen wollen. Sie hat Räume eröffnet, in denen Neues ausprobiert, Sorgen geteilt und gemeinsame Haltungen weiterentwickelt werden konnten. Die regelmäßigen Feedback-Schleifen haben gezeigt, dass die Kolleg:innen die Formate als gewinnbringend erlebt und vielfältige Einsatzmöglichkeiten entdeckt und in den Unterricht integriert haben.
In einer Schule, die das gemeinsame Lernen in seiner Vielfalt ernst nimmt, ist es entscheidend, dass neue Technologien nicht unreflektiert übernommen, sondern im Einklang mit den pädagogischen Zielen weiterentwickelt werden. Dazu gehört auch, das Soziale im Lernen zu bewahren, kooperative Strukturen zu stärken und die Dimension des „Lernens ohne KI“ nicht aus dem Blick zu verlieren. Analoges, zwischenmenschliches, erfahrungsbezogenes Lernen wird auch in Zukunft neben den vielfältigen digitalen Möglichkeiten ein zentraler Bestandteil unserer Schulkultur bleiben.
(1) nach Susanne Alles, Joscha Falk, Manuel Flick und Regina Schulz