Länderbericht Nordrhein-Westfalen 2025-11
Das Schulministerium hat kurz vor den Sommerferien den sogenannten ‚Schulkompass NRW 2030‘ aufgelegt. Datengestützte Schul- und Unterrichtsentwicklung sind die Zauberworte. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden, welche geeignet sind, den Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards nicht erreichen, zu verringern und den Anteil derjenigen zu erhöhen, die die Optimalstandards erreichen.
Hierzu sollen zusätzliche Lernstandserhebungen in den Klassen 2, 5 und 7 weitere Ergebnisse zum Stand der Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen an den Schulen in NRW erbringen. Es ist allerdings bekannt, dass mehr Daten nicht zu besseren Leistungen führen.
Entsprechende Erkenntnisse stehen ausreichend zur Verfügung, diese müssen dringend in die Umsetzung gehen. Kinder und Jugendliche müssen unter mindestens guten Rahmenbedingungen lernen und ihre Persönlichkeit entfalten können. Und genau das können sie derzeit aus unterschiedlichsten Gründen nicht. Unterrichtende an den Schulen benötigen Entlastung und nicht zusätzliche Belastung; das System ist permanent hochgradig belastet. Viel zu viele Gebäude sind marode. Wir erreichen immer weniger Schülerinnen und Schüler mit unseren veralteten Lehrplänen, Methoden und schriftlichen Überprüfungsformaten. Das alles wissen wir schon und trotzdem verlegt das Verfahren „Schulkompass“ den Zeitpunkt des letzten Erkenntnisgewinns in die Mitte der nächsten (!) Legislaturperiode.
Es gibt bis jetzt keine Hinweise darauf, wohin dieser Erkenntnisgewinn führen soll. Wie soll eine bessere Chancengleichheit umgesetzt werden? Mehr Stellen für Lehrerinnen und Lehrer, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, wenn die Ergebnisse entsprechend ungünstig ausfallen? Angenehmere Lernumgebungen? Kleinere Klassen ergeben nicht zwangsläufig besseren Unterricht, es ändert sich nur etwas mit der Veränderung der Methoden, Lehrpläne usw. Also müssen sich auch LehrerInnenfort- und -ausbildung radikal verändern. Und da ist sie wieder, die Erkenntnis, dass wir das alles schon wissen.
Die Schulaufsichten sollen übrigens diesen Prozess unterstützen und begleiten, haben aber jetzt bereits schon keine Kapazitäten mehr angesichts wachsender Aufgaben auch in diesem Bereich. Ohne an den Rahmenbedingungen etwas zu ändern, erscheint diese Unterstützung unrealistisch. Schulleitungen und Schulaufsichten sollen allerdings bereits ab dem Schuljahr 2025/26 Zielvereinbarungen abschließen.
Die Idee ‚Schulkompass‘ verdient ernst genommen zu werden. Allerdings drängt sich damit einhergehend die Frage auf, wie es mit den notwendigen Erkenntnissen zu frühkindlicher vorschulischer Bildung aussieht. Offenbar kommen viel zu viele Kinder bereits mit Rückständen von ein bis vier Jahren in die Grundschulen. Das kann keine Grundschule auffangen und erst recht keine weiterführende Schule.
https://www.schulministerium.nrw/schulkompass-nrw-2030-datengestuetzte-qualitaetsentwicklung
Andreas Tempel
Der Länderbericht erschien in Die Schule für alle 2025/4.
ALLE LÄNDERBERICHTE DSFA 2025/4