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Das Modell BW: Erst die Praxis, dann die Planung!

Zwei Jahre nach der praktischen Einführung der Gemeinschaftsschule (GMS), beginnt die Landesregierung mit der Planung der regionalen Schulentwicklung:
„Das Landeskabinett hat am 23. Juli 2013 die Eckpunkte für eine regionale Schulentwicklung in BW verabschiedet“ (Kultusportal des MKS). Die Eckpunkte sollen die Grundlage bilden für einen Gesetzentwurf, der bis zum Ende des Jahres in den Landtag eingebracht werden soll.
Ziel der regionalen Schulentwicklung ist es, allen Schüler/innen in „zumutbarer Erreichbarkeit jeden Bildungsabschluss zu ermöglichen" sowie eine gewisse Schulgröße zu garantieren, um bessere pädagogische Bedingungen anbieten zu können. In den Eingangsstufen von Werkrealschule, Realschule und der GMS wird deshalb die Zahl von 40 Schüler/innen, bei den Gymnasien 60 Schüler/innen angestrebt. Das ist neu! Davor noch wurden auch einzügige GMSen genehmigt.

Weiter heißt es im Kultusportal: „Die Landesregierung strebt ... ein Zwei-Säulen-Modell an, das einerseits aus den Gymnasien und andererseits aus einem integrativen Bildungsweg besteht, der sich aus den übrigen weiterführenden Schulen entwickelt.“
Dann wird es interessant:
Bei den Abschlüssen „soll es nicht mehr auf die Schulart ankommen, an der der Abschluss erworben wird. An Realschulen werde die Möglichkeit geschaffen, in Klasse 9 auf Antrag die Hauptschulabschlussprüfung abzulegen“.
Was bedeutet das in der Praxis? Ist die Realschule dann schon so etwas wie der Übergang zur GMS, nur ohne Ambitionen für einen höheren Abschluss? Oder ist sie schon wieder eine neue Schulart, vielleicht eine Verbundschule? Darf sie dann noch Schüler/innen in die Werkrealschule abschulen oder kann sie dann doch gezwungen werden, den Hauptschulabschluss in der eigenen Schule anzubieten? Und schließlich: Wenn es nicht mehr auf die Schulart ankommt, warum bietet man nicht auch den Gymnasien an, einen Realschulabschluss eben dort machen zu können?

Die jüngste Blüte in der Schullandschaft fängt gerade in Mannheim an zu sprießen:
Eine große Realschule in der Stadt hat Interesse bekundet, das System der Gesamtschule in Mannheim zu übernehmen. Sie fragt an, ob es nicht möglich wäre, eine Dependance dieser Schule zu werden. Die Idee ist gut, zumal die IGMH jedes Jahr etwa 400 Anmeldungen hat, von denen nur etwa die Hälfte aufgenommen werden kann. Genug Potenzial also für eine zweite Schule dieser Art in Mannheim.
Eine spannende Frage bleibt aber: Würde die jetzige Landesregierung mit ihrem SPD- Kultusminister noch Anträge auf Gesamtschulen genehmigen, eine Schulart also, die sie, die SPD, viele Jahre lang in ihrem Bildungskatalog hatte?
Es fehlt ein erkennbarer, konsistenter Kurs in Richtung auf die „Entwicklung“ der sogenannten zweiten Säule, der gewollten Alternative zum Gymnasium.
Was sich zur Zeit da von unten und von oben „entwickelt“, ist ein bunter Strauß von Schularten, die man nur mit einigem guten Willen und auch nur in wenigen Fällen als Alternative zum Gymnasium sehen kann. Wenn Landesregierung und auch die Kommunen so weiterwursteln, sehe ich schwarz für das Projekt Gemeinschaftsschule.

Jürgen Leonhardt