Länderbericht Rheinland-Pfalz 2018/2

Betrifft: GL 2017/3, S. 3. Eine notwendige Klarstellung

In seinem Gastbeitrag „G8, G9 oder G81⁄2“ kommentiert Prof. Dr. Jürgen Oelkers die chaotische Entwicklung in den westlichen Bundesländern bei Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur so: RLP habe sich in der „hysterischen“ Debatte um G8 versus G9 für „salomonische 8,5 Jahre“ entschieden.

Wir widersprechen: Es war dies vor allem eine politisch kluge Regelung, die der damaligen Bildungsminister Zöllner (SPD) 1999 herbeiführte, die das Land bis heute aus den Dauerdebatten um die Verkürzung der Schulzeit heraushält. Oelkers beendet seinen Gastbeitrag mit folgendem Statement:

„Und es gibt eine abschließende Pointe: Von dem Hickhack profitiert haben – wie in Rheinland-Pfalz – die Gesamtschulen mit Oberstufe. Da waren es immer 9 Jahre bis zum Abitur.“

Das ist falsch. Oelkers hat im Falle RLP schlecht oder gar nicht recherchiert und lässt seinen Vorbehalten gegenüber unseren Gesamtschulen freien Lauf. Mit seiner Wortwahl „profitiert“ insinuiert er, dass sich die IGS auf Kosten und zum Nachteil der Gymnasien entwickelten. Richtig ist: Seit 1999 machen alle Schüler*innen nach 8 Schuljahren und 8 Monaten Abitur nach denselben Regeln – an der IGS und dem Gymnasium gleichermaßen. Dies betrifft alle 130 Gymnasien und alle 55 IGSn. Noch einmal: Es gibt keinen Unterschied zwischen IGS und Gymnasium hinsichtlich der Dauer der Schulzeit bis zum Abitur, in der Regel. Die Ausnahme von dieser Regel kommt bei Oelkers Recherche auch nicht vor:

Seit knapp 10 Jahren haben wir das G8-Gymnasium, das allerdings nur als verpflichtende Ganztagsschule genehmigt wird. Dafür haben sich lt. Statistik 21 Schulen entschieden, davon sind 6 in privater Trägerschaft. Dass „nur“ 10 % der staatlichen Gymnasien G8 eingeführt haben und damit einem Bedarf entsprechen, der seit Jahren stagniert, hat eher mit den anderen Gymnasien zu tun.

Im Übrigen, was ist schlecht daran, dass Eltern ihre Kinder an eine IGS anmelden, die mit der Förderung aller Kinder ernst macht, wohingegen sie bei einem Gymnasium in RLP eine bis zu 25 % Chance haben, bis zur 10. Klasse aussortiert zu werden?

Eine weitere 4 zügige IGS in Mainz – 2020 ist es so weit – hoffentlich

Im Januar hatten wir mit dem neuen für die Schulen zuständigen Dezernenten der Stadt Mainz ein ausführliches Gespräch über die Situation im Mainz. Zur Erinnerung: Die GGG mahnt seit Jahren die Gründung weiterer IGSn an, denen an Standorten wie Mainz, wo bereits IGSn bestehen, von Gesetzes wegen nichts im Weg steht, wenn wie in Mainz die Zahl der abgelehnten Anmeldungen an bestehende IGSn dies rechtfertigt. Seit Jahren werden jedes Jahr 250 und mehr der angemeldeten Kinder abgelehnt: nach RLP-Maßstäben Potenzial für zwei weitere IGSn. Der Dezernent legte die Zwänge dar, denen sich die Stadt ausgesetzt sieht. Die Unterstützung seitens der Schulaufsicht könnte entschiedener sein, Auflagen des Rechnungshofs gestalten die Antragstellung schwierig, ein Koalitionspartner besteht darauf, dass es eine neue IGS nur mit einem neuen Gymnasium geben darf und last but not least gestaltet sich die Suche nach geeigneten Grundstücken nicht einfach. Die GGG wird wie bisher den Lauf der Dinge kritisch begleiten.

Das Bündnis ProInklusion nimmt Fahrt auf

Seit einigen Monaten besteht das Bündnis „ProInklusion“, in dem sich „EINE Schule für ALLE“, die LAG Gemeinsam Leben-Gemeinsam Lernen, der Montessori-Landesverband RLP und die GGG RLP zusammengefunden haben, um die schleppende und halbherzige Umsetzung dieses Menschenrechts im Schulbereich zu hinterfragen und dem Anliegen Inklusion mehr Gehör zu verschaffen. Auftaktveranstaltung war die Diskussion über unser Grundlagenpapier mit den bildungspolitischen Sprecher*innen der Koalitionsfraktionen (SPD, FDP und Grüne). Die Bilanz ist ernüchternd, auch wenn alle drei uns ihr Wohlwollen aussprachen. Sie wichen nicht ab von ihrer Position, dass der Elternwille die alles entscheidende Instanz sei. Sie hatten keine Antwort auf die Frage, wie sie auf diesem Weg die Inklusion schlussendlich umsetzen wollen und blieben auch eine Position hinsichtlich der Förderschule Lernen schuldig.

Dennoch bleibt unterm Strich auch der Eindruck, dass man durchaus Sympathie für ein Bündnis wie unseres hat, weil sie viel häufiger mit Gegnern und Widerständen im Kontakt sind. Bleibt zu hoffen, dass wir bald Gehör für unsere Position finden werden, Inklusion und Kinderrechte in unserem Grundgesetz zu verankern.

Im nächsten Schritt haben wir Prof. Dr. Feuser, Zürich, in Sachen Inklusion zu Vortrag und Diskussion eingeladen.
Thema: Menschenrechte Inklusion
Die aktuelle Umsetzung im Bildungssystem – ein Widerspruch in sich
27. Februar 2018, 15:00 – 18.00 Uhr
Johannes-Gutenberg-Universität, Mainz
Georg-Forster-Gebäude, Raum 01-611

WOLFGANG THIEL