Länderbericht Schleswig-Holstein 2018/3
... so oder so ähnlich könnte das Motto der aktuellen schleswig-holsteinischen Bildungspolitik lauten. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Infratest dimap vom April 2018 zur politischen Stimmung in Schleswig-Holstein bekommt die aktuelle Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP relativ hohe Zustimmungswerte. Ausgenommen davon ist allerdings die Schulpolitik. 60% der Befragten zeigten sich mit dieser unzufrieden.
Vor allem dürfte dies entgegen aller Bekenntnisse der Ministerin daran liegen, dass durch die beschlossenen rückwärts gewandten Maßnahmen und die beabsichtigten Vorhaben (Rückentwicklung eines progressiven Lehrkräftebildungsgesetzes und mangelhafte bzw. verzögerte Umsetzung der Einführung eines Sozialbonus für Schulen mit besonderen Herausforderungen) die Gemeinschaftsschulen zu einer dem Gymnasium nachgeordneten und strukturell benachteiligten Schulform entwickelt werden bzw. teilweise schon entwickelt worden sind.
Die mit Spannung erwarteten Anmeldezahlen zu den weiterführenden Schulen, geben Hinweise darauf, in welche Richtung die künftige Entwicklung gehen könnte. Während die Anzahl der Anmeldungen an den Gemeinschaftsschulen um 0,6 Prozent zurückging, stieg sie an den Gymnasien nach der Einführung des „Langsam“-Gymnasiums G9 um 5,6%. Damit gehen insgesamt 44,8% aller Grundschulabgänger künftig auf das Gymnasium und 53,7% zur Gemeinschaftsschule. Eine differenziertere Betrachtung zeigt, dass in einigen Bereichen Schleswig-Holsteins die Übergangsquote zum Gymnasium schon jetzt nahezu 50% bzw. mehr beträgt und die Nachfrage nach Plätzen an Gemeinschaftsschulen mit eigener Oberstufe noch immer das Angebot weit übertrifft.
Statt diesem Trend entgegenzuwirken, wird die Spaltung der Schulformen durch die von der Ministerin Karin Prien (CDU) beabsichtigte Reform des Lehrkräftebildungsgesetzes noch verstärkt. Die Abschaffung des gemeinsamen Lehramtes für Gymnasien und Gemeinschaftsschulen (Sekundarschullehramt) und Einführung zweier zwischen den Schulformen differierenden Lehrämter orientiert sich opportunistisch an Standesinteressen. Sie ist ein Schlag gegen die Pädagogik der Vielfalt, die inzwischen in allen Schularten gefordert ist. Auch der häufig in der Argumentation polemisch und abwertend gebrauchte Begriff des „Einheitslehrers“ weist darauf hin.
Vor diesem Hintergrund befürchtet die Fraktion der SPD im Schleswig-Holsteinischen Landtag eine Rückentwicklung der Gemeinschaftsschule zur ehemaligen Regionalschule. In einem Landtagsantrag forderte sie die Landesregierung auf, einen Maßnahmenkatalog zu entwickeln, mit dem der Erhalt der Bildungswege zum Abitur in der Fläche auch außerhalb der Gymnasien gefördert und einer strukturellen Benachteiligung der Gemeinschaftsschulen entgegengewirkt werden soll. Dem setzten die Regierungsfraktionen die Formulierung entgegen, dass der Landtag anerkennt, „dass Gemeinschaftsschulen mit ihrer heterogenen Schülerschaft einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leisten und wie bisher besondere Unterstützung benötigen, um alle Schülerinnen und Schüler individuell fördern und fordern zu können.“
Das ist eindeutig eine Erklärung zum weiter so. Unsere Gemeinschaftsschulen werden auf Dauer nur dann in Konkurrenz zum Gymnasium bestehen können, wenn die gesellschaftlich zu bewältigenden Aufgaben gerecht auf alle Schulen bzw. Schulformen verteilt werden, und wenn dafür gesorgt wird, dass sie Schulen der Vielfalt, die möglichst der gesellschaftlichen Heterogenität entsprechen, bleiben bzw. wieder werden können.
DIETER ZIELINSKI