Auch Baden-Württemberg hat jetzt eine neue Kultusministerin. Es scheint, als sei dieses Amt in Deutschland mittlerweile schon so anfälligfür den Wechsel wie der Trainerjob in der Bundesliga. Entweder wird der Wechsel reichlich vor den nächsten Wahlen vollzogen, wie in BW, oder aber gleich mit der Regierungsneubildung nach den Wahlen. Die Verunsicherung hat ihre Ursache in den zunehmend heftigen, meist negativen Reaktionen der Menschen auf die Bildungspolitik der Bundesländer. Die Angst der Regierenden vor der Auseinandersetzung (oder sollten wir – mit Blick auf Hamburg – besser sagen: dem Krieg auf dem Felde der Bildung?) ist mit Händen zu greifen. Der nächste Krieg wird vermutlich nach den Wahlen in NRW ausbrechen. Die Schullandschaft der Republik ist in Bewegung geraten. Es wird spannend und wir bekommen Arbeit.
Ich hatte im letzten Bericht das Gutachten der Uni Konstanz zur Schulentwicklung in BW erwähnt und die wesentlichen Erkenntnisse daraus genannt. Die Gemeinden fangen nun an, auf den darin beschriebenen Rückgang der Schüler/innenzahlen und das veränderte Übergangsverhalten auf die weiterführenden Schulen zu reagieren. Das Angebot der Landesregierung, die Neue Werkrealschule (NWRS) einzuführen und damit den Schüler/innenschwund in der Hauptschule aufzufangen, wird durchaus unterschiedlich aufgenommen.
So hat der Gemeinderat in Ravensburg am Bodensee mit knapper Mehrheit beschlossen, das Angebot überhaupt nicht anzunehmen, sondern gleich für eine Schule für alle zu plädieren.
Andere Gemeinden, wie z. B. Mannheim, überführen alle mindestens zweizügigen Hauptschulen in NWRS und lassen die kleinen Hauptschulen „leerlaufen“, was bedeutet, dass sich dort ab dem Schuljahr 2010/11 keine neuen Schüler/innen mehr anmelden können. Viele kleine Gemeinden auf dem Lande und Stadtbezirke an der Peripherie verlieren auf diese Weise ihrer einzigen Sekundarschulen und protestieren gegen die Schließungen. Dies geschieht in Mannheim allerdings nicht ohne den Beschluss des Gemeinderates, an wenigstens einem Standort eine Schule längeren gemeinsamen Lernens zu versuchen. OB Dr. Kurz im Mannheimer Morgen vom 22.04.09: „Wir brauchen eine zweite Gesamtschule“.
Bisher allerdings wurden solche Schulversuche in BW vom Kultusministerium unter Helmut Rau abgelehnt. Unsere Arbeit und Aufgabe in BW sehen wir im Netzwerk In einer Schule gemeinsam lernen darin, diese Blockadehaltung aufzubrechen.
Wir Baden-Württemberger wünschen unserer neuen Ministerin, Frau Prof. Dr. Marion Schick, dabei ein besseres Gespür für die Anliegen der Eltern und Lehrer/innen als es ihrem Vorgänger beschieden war. Die nächsten Landtagswahlen sind am 27.03.2011.
Jürgen Leonhardt