Im Ländle wird gearbeitet oder besser „g‘schafft“, wie die Schwaben sagen. Das neue Schulgesetz des Landes ist bereits durch die erste Lesung gegangen und wird vermutlich Ende April in Kraft treten. Erst dann sind die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben für den Startschuss der vorläufig 41 Schulen, die dann Gemeinschaftsschule (GMS) werden wollen.
Vorläufig deshalb, weil bis zum Inkrafttreten des Gesetzes sich noch andere Schulen bewerben könnten. Das ist sogar eher wahrscheinlich, weil zu den ursprünglichen 34 Schulen inzwischen schon sieben neue dazugekommen sind. Außerdem gehen noch drei oder vier Privatschulen mit an den Start.
Nach Auskunft von Kultusministerin Warminski-Leitheußer haben bisher schon etwa 300 Schulen aus dem Lande Interesse an der GMS bekundet! Für das Ministerium wird es eine schwierige Aufgabe werden, aus dieser doch beachtlichen Zahl von Schulen diejenigen herauszufinden, die den Qualitätsansprüchen der GMS genügen.
Die 41 Starterschulen bekamen grünes Licht, weil sie schon einige Jahre, manche bis zu 10 Jahren, noch unter der alten Landesregierung an den Themen individualisiertes Lernen und Inklusion gearbeitet hatten. Sie sind also gut vorbereitet und wollen nun loslegen.
Bei Bekanntwerden der Namen der ersten Bewerber für die GMS im Januar 2012 machte sich bei GGG- und GEW-Kollegen zunächst große Enttäuschung breit. Es hatten sich nur kleine ländliche Schulen gemeldet – fast ausschließlich Haupt- und Werkrealschulen. Einige gar nur einzügig, was nach unserer Auffassung viel zu wenig war, um auch nur eine Überlebenschance zu haben. Bei Gymnasien und Realschulen totale Fehlanzeige!
In der interessierten Öffentlichkeit machte sich die Sorge breit, GMS sei lediglich – wie bei der Werkrealschule der alten Landesregierung – ein anderes Etikett für Hauptschule mit vergleichbar schlechten Entwicklungschancen. Bei genauerem Hinschauen erkennt man aber, dass das keineswegs so ist:
1. Wie schon berichtet, haben alle diese Schulen völlig neue Schulkonzepte, die sich den individuellen Bedürfnissen der Kinder orientieren.
2. Es werden Kinder mit allen Grundschulempfehlungen aufgenommen.
3. Der Zulauf zu diesen neuen Schulen ist im deutlichen Gegensatz zur Hauptschule/Werkrealschule schon jetzt enorm. Mit einer einzigen Ausnahme haben alle Schulen im Vergleich zum Vorjahr ihre Anmeldezahlen so gesteigert, dass mindestens zwei Klassen in der Eingangsstufe gebildet werden können. Einige Schulen sind bereits drei- und vierzügig. Die Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen hat 111 Anmeldungen! Ansonsten liegen die Zahlen zwischen 30 (Essingen und Rosenberg) und 60 (Korb und Külsheim).
Das Konzept scheint zukunftsträchtig und übertrifft zunächst einmal unsere Erwartungen. Die anfänglichen Befürchtungen scheinen einem vorsichtigen Optimismus Platz gemacht zu haben.
Ein nach wie vor ungelöstes Problem allerdings ist der Einsatz von Gymnasiallehrer/innen in der GMS. Um gymnasiale Standards in der GMS zu implementieren, brauchen wir diese Kolleg/innen dort unbedingt.
Ein schweres Hindernis dabei ist das um zwei Stunden höhere Deputat für die Gymnasiallehrer/innen an der GMS (27 statt 25 Stunden!). Eine gewisse Hoffnung ergibt sich jetzt aus der Tatsache, dass mit dem Überhang an Gymnasiallehrer/innen durch den Wegfall des Doppeljahrganges G8/G9 neue, junge Kolleg/innen eher in der GMS angestellt werden könnten.
Mein Wunsch wäre ein neuer Bildungsaufbruch wie in den 1970er Jahren bei der Gründung der Gesamtschulen in Deutschland. Immerhin, ein Anfang ist gemacht.
Jürgen Leonhardt