Mit einem großen öffentlichen Auftritt hat Kultusminister Althusmann am 26.10.2010 in Hannover seine Vorstellungen für eine künftige Schulstruktur in Niedersachsen präsentiert. Im Kern will er die Haupt- und Realschulen zu Oberschulen zusammenfassen und sie eventuell um ein gymnasiales Angebot erweitern. Die hohen Hürden für die Neugründung von Integrierten Gesamtschulen (die Elternbefragungen müssen für 14 Jahre eine Fünfzügigkeit ergeben) hat er nicht beseitigt.
Dies war im Vorfeld erwartet worden. Für die GGG Niedersachsen sind diese Vorschläge mehr als enttäuschend. Mit „Viel Lärm um nichts“ könnte man sie bezeichnen. Da die Gesamtschulen in Niedersachsen erheblichen Zulauf von den Eltern haben (2009 und 2010 gab es 32 Neugründungen, 2011 werden weitere 10 bis 15 Neugründungen erwartet), ist zu befürchten, dass die neue Oberschule als Gegenmodell zur Gesamtschule gedacht ist, zumal sie schon als zweizügige Schule genehmigungsfähig ist. Über das organisatorische Gefüge der Oberschule ist bisher wenig bekannt. Um sie einzuführen, muss das Schulgesetz verändert werden, und das ist ein langwieriger Prozess. Von den Oppositionsparteien und den Lehrerverbänden werden die Vorschläge aus dem MK abgelehnt. Der im Vorfeld in Niedersachsen diskutierte überparteiliche Schulkompromiss über die nächsten Legislaturperioden hinaus ist mit diesem Konzept nicht erreichbar. Im Prinzip stellt die Oberschule keine neue Schulform dar. Zusammengelegte Haupt- und Realschulen mit einer Schulleitung und einem Lehrerkollegium und einem erheblichen Anteil an integriertem Unterricht gibt es bereits seit Jahren. Je stärker die Hauptschulen geschrumpft sind, um so mehr dieser Schulen haben sich gebildet. Ergänzt man die zusammengelegte Haupt- und Realschule um ein gymnasiales Angebot, hat man das Modell der Kooperativen Gesamtschule. Auch hier sind also keine neuen Ideen erkennbar. Es ist zu vermuten, dass der Begriff Oberschule dazu herhalten muss, dass man die Bezeichnung Gesamtschule vermeiden kann. Dazu passt dann die Idee, dass Kooperative Gesamtschulen sich in Oberschulen umwandeln können.
Die GGG Niedersachsen wird auf dieses Täuschungsmanöver nicht eingehen. Gesamtschule bleibt Gesamtschule. In Niedersachsen ist die Gesamtschule eine bei Eltern und Schülern sehr beliebte und anerkannte Schulform. Das zeigen die hohen Anmeldezahlen. An den 56 Integrierten Gesamtschulen gab es 2010 12.000 Anmeldungen für 8.500 Plätze, d. h. 30 % der Anmeldungen mussten abgewiesen werden. Die Fünfzügigkeit als Gründungsvoraussetzung muss fallen. Mit den vierzügigen Integrierten Gesamtschulen, die in den 90er Jahren entstanden sind, hat Niedersachsen ein Schulmodell, das gerade bei rückgängigen Schülerzahlen ein vollständiges Bildungsangebot vor Ort sichert. Oberschulen braucht das Land nicht. Die Eltern in vielen Regionen, die keine Gesamtschulanmeldung für ihre Kinder vornehmen können, weil es ein Gesamtschulangebot nicht gibt, erwarten, dass das Kultusministerium sich in der Frage der Zügigkeit bewegt. Auch im Kultusministerium ist bekannt, dass im Herbst 2011 Kommunalwahlen sind und dass die Bildungspolitik in diesem Wahlkampf eine große Rolle spielen wird.
Gerd Hildebrandt