Begabten- und Begabungsförderung an der Lobdeburgschule Jena – Von der Grundschule bis zur Oberstufe greifen inner- und außerschulische Angebote ineinander.
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Gemeinsam einfach stark
Begabungs- und Begabtenförderung an der Lobdeburgschule
Iris König
„Miteinander leben lernen“ – so lautet das Motto unserer Staatlichen Gemeinschaftsschule „Lobdeburgschule“ in Jena. Unser Lebensraum Schule wird von 700 Schüler:innen der Klasse 1 bis 12 inklusive temporärer Austauschschüler:innen aus dem Ausland ebenso gemeinsam gestaltet wie von Pädagog:innen der Primarstufe und der Sekundarstufen I und II sehr unterschiedlicher Ausbildung und Prägung. Jede:n individuell anzunehmen und zu fördern, gehört gerade wegen dieser Diversität zum grundsätzlichen Leitbild unserer Schule.
Wir verbinden mit dem Terminus Begabungsförderung die Idee, den ‚klassischen Lehrer:innenblickwinkel‘ zu verschieben und statt Schwächen zu schwächen (durch ausgiebiges Training), Stärken zu stärken. Hier geht es für alle Kinder und Jugendlichen unserer Schule um die Möglichkeit, sich entsprechend ihrer Stärken und Kompetenzen wirkungsvoll in den Schulalltag einzubringen und ihr individuelles Entwicklungspotential auszuschöpfen.
Als Teil davon darf die Begabtenförderung hervorgehoben werden. Sie richtet sich an Kinder und Jugendliche, die im traditionellen Sinne als ‚hochbegabt‘ bezeichnet werden. Dabei folgen wir in unserem Begriffsverständnis dem multiplen Intelligenzmodell nach Howard Gardner.
Es geht uns mit unseren Maßnahmen um Lernende, die allgemein oder fachgebietsspezifisch soweit über dem Durchschnitt ihrer Alterskamerad:innen liegen, dass sie einerseits ihr Anderssein sehr deutlich spüren und andererseits oft mit Lernangeboten konfrontiert sind, die sich für ihren individuellen Lernweg wenig eignen.
Das Kurssystem
Kern der Förderung ist ein in die Struktur des Unterrichtsalltags integriertes Kurssystem von der Klassenstufe 1 bis 10. Eingeordnet ist es in die ‚Eigene Lernzeit (ELZ)‘.
In der Grundschule haben die Erstklässler:innen eine Stunde Neugierzeit pro Woche bis zum Schuljahresende. Diese dient dem Kennenlernen, der kontinuierlichen Begegnung mit komplexen und ihrem eigenen Lerndurst entsprechenden Aufgaben und dem Ausloten ihrer Interessen (als Ausgangspunkt für die Kurse ab Klassenstufe 2).
Von der Klassenstufe 2 bis zur Klassenstufe 4 gibt es in einer Doppelstunde pro Woche ein jahrgangsübergreifendes Angebot. Die betreffenden Kinder wählen sich dreimal jährlich in einen von fünf angebotenen Kursen ein. Die Angebote sind eine Mischung aus mathematisch-naturwissenschaftlichen, technischen, sprachlichen und künstlerisch-kreativen Angeboten.
In der Sekundarstufe 1 gibt es Extrakurse als Doppelstunde im Rahmen der Begabungs- und Begabtenförderung (BBF). Diese sind ebenfalls in die `Eigene Lernzeit` integriert. Die Kurse sind immer jahrgangsübergreifend organisiert (in der Regel 5/6, 7/8, 9/10). Auch hier gibt es wiederum mathematisch-naturwissenschaftliche, sprachliche, technische und künstlerisch-kreative Angebote für die sich Schüler:innen schriftlich begründet einwählen dürfen. Dieses Kurssystem bietet sich unter anderem an, um Schülerwettbewerbe in diesem Rahmen zu realisieren wie z. B.: Jugend debattiert, Jugend forscht, Formel 1, Europawettbewerb, …)
Kursleitungen sind nicht nur Lehrkräfte der Schule. Etwa 50 % und bei guter finanzieller Lage auch mehr Kurse werden durch Fachpersonen aus dem kommunalen Umfeld begleitet. Diese schließen nach Prüfung einen Honorarvertrag mit dem Schulförderverein, der die Finanzen der Begabten- und Begabungsförderung verwaltet. Manche Kurse werden auch durch Partnerinstitutionen unserer Schule gestaltet, wie z. B. der Schülerforscherklub durch den witelo e. V. aus Jena. Im Primarbereich drei- und im Sekundarbereich zweimal pro Schuljahr gibt es Zusammenkünfte aller Kursleiter:innen, um den spezifischen Charakter dieser Kurse aufrecht zu erhalten und auftretende Fragen zu beantworten. Für letztere gibt es eine kontinuierliche Ansprechpartnerin an der Schule (Koordinatorin für Begabungs- und Begabtenförderung).
Andere Formen pädagogischer Begleitung: Beratungsgespräche/Einzelfallbegleitung
Ausgebildete Kolleg:innen kommen zu Elterngesprächen hinzu, wenn es beim beteiligten Kind auch um Aspekte der Hochbegabung geht. Eltern und Schüler:innen können ihrerseits Kolleg:innen zum beratenden Gespräch aufsuchen. In Fällen von Überspringen einer Klassenstufe werden die betreffenden Schüler:innen bei Bedarf in regelmäßigen Reflexionsrunden durch eine Pädagogin/einen Pädagogen begleitet.
Verbindung und Vermittlung zu außerschulischen Angeboten
Jena bietet eine Vielzahl an Angeboten für begabte Schüler:innen in der Region. Die Bildungscamps in Christes und Zella-Mehlis bieten während der Schulzeit temporär (jeweils eine Woche) für Schüler:innen der Klassenstufen 1 bis 10 eine sinnvolle und wirkmächtige Alternative zum schulischen Lernen. Ausgewählte Schüler:innen der Oberstufe können ein Juniorstudium an der Friedrich-Schiller-Universität absolvieren.
Das Regionalzentrum für Begabungsförderung Ost mit Sitz am Carl-Zeiß-Gymnasium Jena bietet ein umfangreiches Korrespondenzzirkelprogramm für viele naturwissenschaftliche Fächer und Mathematik in der Sekundarstufe I. An der Salzmannschule Schnepfenthal gibt es einen Korrespondenzzirkel Sprache für Schüler:innen der Klassenstufe 4.
Das Schülerforschungszentrum in der Dauerausstellung „Imaginata“ bietet dem Forschungsdrang auch in der Freizeit viele Möglichkeiten, die es zu Hause so nicht gibt.
Einmal im Quartal findet an einer Jenaer Schule samstags der ‚mach-bar!‘-Tag statt für Schüler:innen, die vom Lernen nicht genug bekommen.
Mit der Herbstschule erhalten einzelne Schüler:innen in den Ferien die Möglichkeit mit Lernpat:innen höherer Klassenstufen eine Woche lang täglich 1,5 Stunden Kenntnisse in einem Schulfach zu vertiefen. Jede:r Schüler:in kann maximal zwei Fächer belegen.
Leistung lohnt sich
Auch wenn das ein bisschen nach FDP-Wahlwerbung klingt, hatten wir exakt dieses Motto bei uns für diese Art der Veranstaltungen kreiert. Hier geht es v. a. darum, einen Gegentrend zu setzen zu der ‚Coolness‘ schlechter Benotung und betont lässiger Egalhaltung gegenüber der Gemeinschaft Schule.
Unter diesem Motto gibt es in jedem Schuljahr einen ein- oder mehrtägigen Ausflug mit speziellem Bildungserlebnis für Schüler:innen, die sich über das normale Maß hinaus für die Schule engagiert haben. Das können Wettbewerbspreisträger:innen ebenso sein wie jene, die neue Impulse in das Schulleben getragen haben oder sich besonders in der Unterstützung anderer Klassen/Schülergruppen/Mitschüler:innen hervortaten (Beispielziele: EU-Parlament in Brüssel, Gläserne Manufaktur in Dresden, Falknerei/Rennsteig – Juniorfalknerschein).
Identifizierung von Begabungen
Kontinuierlich fortgebildete Lehrer:innen diagnostizieren die Begabungen des Kindes und sprechen Empfehlungen aus. Mit der Denkolympiade für alle Schüler:innen in Klasse 5 nutzen wir ein Instrument schullehrstoffunabhängiger Überprüfung. Besondere Bedeutung hat die Selbstidentifikation bzw. Benennung über die Peer-Group im Rahmen des oben beschriebenen Kurssystems ab Klasse 5.
Netzwerke und Partner
Als LemaS-Schule (´Leistung macht Schule´) sind wir Teil eines bundesweiten Fördernetzwerkes für Begabungs- und Begabtenförderung. Dazu stehen wir im direkten Austausch und Kontakt mit dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und demThüringer Institut für Lehrerfortbildung. Wir kooperieren mit dem Bildungscamp e. V., mit witelo e. V., der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Ernst Abbe-Fachhochschule Jena, dem Förderverein Lobdeburgschule e. V., Komme e. V. und anderen.
Seit nunmehr 15 Jahren befinden wir uns auf dem Weg, eine zielgerichtete Begabten- und Begabungsförderung an der Lobdeburgschule in Jena zu etablieren. Unser im Leitbild formulierter Anspruch auf Individualisierung und Förderung aller ist oberste Maxime. Und es gibt sie auch an unserer Schule – jene Kinder und Jugendlichen, die unterfordert sind mit den ‚normalen‘ kognitiven Angeboten und überfordert werden mit ihrer ständigen Anpassungsleistung. Deshalb lohnt es sich, die Stärken aller Schüler:innen in den Vordergrund der pädagogischen Betrachtung zu rücken.
Weitere Informationen:
Artikel aus Die Schule für alle Heft 2024/4