Eine Schule für alle in Bayern
Der Verein „EINE SCHULE FÜR ALLE in Bayern e.V.“ ist ein Zusammenschluss von Eltern, Lehrern und anderen Interessierten, die unsere öffentlichen Schulen verändern möchten. Unser oberstes Ziel ist die Etablierung einer neuen Lernkultur sowie die Entwicklung von Gemeinschaftsschulen in Bayern. Angesichts des starren bayerischen Schulwesens streben wir zunächst die Durchsetzung von Modellschulen an.
Der Verein wurde im Mai 2008 von engagierten Privatpersonen gegründet, ist parteipolitisch unabhängig und auch sonst keiner Organisation Rechenschaft schuldig. Wir sind gemeinnützig und finanzieren unsere Aktivitäten aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. EINE SCHULE FÜR ALLE ist aktives Mitglied im ARCHIV DER ZUKUNFT und im FORUM BILDUNGSPOLITIK BAYERN. Derzeit haben wir ca. 160 Mitglieder.
Sofortige Forderungen
- Sitzenbleiben abschaffen
Sitzenbleiben ist eine Demütigung von SchülerInnen, die ohnehin schon Schwierigkeiten haben. Sie werden aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen.
Die meisten Länder kennen Sitzenbleiben gar nicht – den deutschen Steuerzahler kostet es jährlich über 1 Mrd. Euro. In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung 2010 weist der Bildungsforscher Klaus Klemm nach, dass Wiederholen weder dem Wiederholenden hilft, seine Schwächen zu überwinden, noch der nun von schwachen Schülern ‚bereinigten‘ Klasse – auch die Leistungen der verbliebenen, guten Schüler steigen nicht.
Selbst die Ministerien fordern die Schulen auf, das Wiederholen zu reduzieren: Es sei wenig effektiv und schade dem Ansehen Deutschlands. Die Lehrpersonen sollen individuell fördern. Dass dies im engmaschigen Notenkorsett mit wöchentlichen Prüfungen nicht möglich ist, sehen die Ministerien nicht.
- Freigabe des Elternwillen beim Übertritt
… nach Beratung durch die Lehrperson. Der Druck der Noten, durch den an Noten gebundenen Übertritt, prägt die Grundschulzeit: Die Überlegungen der Eltern, wie der Übertritt erfolgreich zu schaffen sei, beginnen spätestens in der 2. Klasse. Während einige Kinder noch gar nicht verstehen, welche Bedeutung Noten haben (und bei einer entscheidenden Probe zu malen beginnen), weinen andere, wenn sie in der 3. Klasse eine Drei bekommen. Sie wissen, sie brauchen eine Zwei vor dem Komma. Wenn man dann noch weiß, dass Noten Zufallsprodukte und logisch und systemisch fehlerhaft sind, ist der notenfreie Übertritt unabdingbar. Bereits in 12 Bundesländern ist der Elternwille frei gegeben.
Die Kritik, die Freigabe des Elternwillens bestätige bestehende Strukturen (Akademiker-Kinder ans Gymnasium, Migranten- und arme Kinder an die Hauptschulen), ist richtig, aber dies geschieht auch jetzt - ohne Freigabe des Elternwillens. Das Schulministerium sollte mehr Vertrauen in die professionelle Beratung durch die Grundschullehrerinnen haben, die - befreit von wenig aussagekräftigen Noten im Hundertstelbereich - die Eltern wirklich beraten könnten! Über die Vielfalt der persönlichen Stärken und Schwächen lässt sich frei und nachdenklich nur ohne Noten sprechen. Der Vergleich mit den anderen SchülerInnen der Klasse, einer zufälligen Zusammensetzung von Kindern, fällt weg. Die Individualität des Kindes steht im Mittelpunkt.
- Abschaffen der Ziffernnoten in der Grundschule
Damit Kinder sich entwickeln können, brauchen sie Ermutigung. Vor allem kleine Kinder verlieren durch den Notendruck ihre ursprüngliche Freude am Lernen.
Grundschullehrerinnen klagen über den Zwang, ständig Wissensinhalte überprüfen und benoten zu müssen. Inhalte, von denen sie auch ohne Probe wissen, welche Kinder sie derzeit verstanden haben, denn sie sind Tag für Tag den ganzen Vormittag mit ihren Kindern zusammen.
In der Grundschule werden grundlegende Kulturtechniken vermittelt, die alle Kinder beherrschen müssen, aber nicht zum selben Zeitpunkt. Die Proben halten nur einen momentanen Wissensstand fest, der morgen oder übermorgen schon nicht mehr stimmt, weil das Kind den Sachverhalt nun verstanden hat. Doch dieses Wissen nützt dem Kind notenmäßig nichts mehr. Das Lernen steht an zweiter Stelle – an erster stehen Noten und Selektion.
- Ausweitung des Modells »Flexible Grundschule« auf die Klassen 3 und 4 und auf alle Grundschulen
Die produktive Zusammenarbeit in altersgemischten Klassen und die flexible Lernzeit wird in der 3. Klasse wegen der Notenvergabe abgebrochen. Somit ist die derzeitige Form des Modells ‚Flexible Grundschule‘ nur Stückwerk im falschen System. „Solange die Grundschulzeit unter dem Diktat der Auslese steht, können Reformen nicht wirklich greifen.“ – so Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands.
- Zulassung von Modellschulen im öffentlichen Schulwesen
Effizienz ist ohne Innovationen nicht möglich. In allen Bereichen der Ökonomie werden neue Wege erprobt.
Nicht so im bayerischen Schulwesen.
Da sind bestimmte Innovationen – beispielsweise selbstbestimmtes Lernen ohne Notenkorsett oder Gemeinschaftsschulen – verboten, obwohl man auf theoretische und praktische Ergebnisse weltweit zurückgreifen kann.
Dabei könnten Modellschulen in der Praxis ohne ideellen Ballast zeigen, was sie leisten können. Auch in Bayern könnten Eltern selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder auf eine Modellschule schicken oder nicht. In anderen Bundesländern erhalten öffentliche Schulen Ausnahmeregelungen, um anderes Lernen zu praktizieren – und das mit großem Erfolg!
- Zulassung von Modellschulen in ländlichen Gemeinden
… die aufgrund der demografischen Entwicklung ihren Schulstandort erhalten wollen.
Der Rückgang von Kindern macht es ländlichen Gemeinden immer schwerer oder unmöglich, alle drei bzw. vier Schularten mit Schülern zu bedienen. SchülerInnen müssen stundenlang Bus fahren, um in die Schule zu gelangen.
Etliche Gemeinderäte in Bayern haben auch mit CSU-Bürgermeistern überzeugende Schulmodelle entwickelt, in denen zum Beispiel die Kinder und Jugendlichen zweier Nachbargemeinden das gemeinsame Schulzentrum besuchen und mit Mittlerer Reife abschließen können.
Alle Anträge wurden abgelehnt!
- Grundlegende Reform der Lehrerausbildung und Fortbildung hinsichtlich einer neuen Lernkultur
Die Ausbildung muss sich endlich an den Ergebnissen der Hirnforschung und an neuropsychologischen Erkenntnissen orientieren. Die Inhalte müssen weg vom Faktenwissen, das ohnehin immer schneller veraltet, hin zu pädagogisch-psychologischen Kenntnissen und Erfahrungen. Das Studium muss einphasig sein, Theorie und Praxis miteinander verbunden, und die Studierenden arbeiten von Anfang an im Team.
Voraussetzung für das Studium sollten verschiedenste Arten von Praktika und eine Aufnahmeprüfung sein, die sich nicht in Multipe-choice-Aufgaben nur an die Kognition wendet. Diese verraten nichts von der pädagogischen Begabung des Aspiranten, seinem sozialen und problemlösenden Verhalten.
Zentrales Thema der LeherInnen-Fortbildungen muss der Umgang mit Heterogenität werden. Und Vertrauen, Kinder ihre eigenen Wege gehen zu lassen. Dieses Vertrauen kann nicht kognitiv, sondern nur durch Erfahrungswissen in praxis- und verhaltensorientierten Workshops erreicht werden.
- Notwendige personelle und finanzielle Ausstattung der Inklusionsschulen
Wenn man der UN-Behindertenrechtskonvention gerecht werden will, dürfen die Grenzen der Inklusion nicht finanzielle Vorgaben sein. Die Weltgemeinschaft hat in dieser Konvention festgelegt, dass Kinder und Jugendliche mit Einschränkungen gleichberechtigt öffentliche Schulen besuchen wie andere SchülerInnen auch.
- Angleichung der Gehälter aller Pädagogen
… von den ErzieherInnen und SozialpädagogInnen bis zu den LehrerInnen aller Schularten.
Die Gehalts- und Prestigeunterschiede lassen sich nur traditionell erklären, sachliche Argumente gibt es dafür nicht. Neuere Forschungen haben vor allem die Wichtigkeit der frühkindlichen Förderung aufgezeigt. Investitionen in diesem Bereich zeigen die höchsten Renditen. Erzieherinnen müssen also hoch kompetent sein, entsprechend ausgebildet und entlohnt werden. (s. auch Felix Berth: DIE VERSCHWENDUNG DER KINDHEIT – WIE DEUTSCHLAND SEINEN WOHLSTAND VERSCHLEUDERT, 2011)