Hessen
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Inklusion ist nicht nur eine Frage der Haltung, sondern auch mit enormem bürokratischen Aufwand für die Schulen verbunden, die wie die Ernst-Reuter-Schule II in Frankfurt am Main schon eine jahrelange Erfahrung haben und deshalb stark angewählt werden. Deshalb haben wir die stellvertretende Schulleiterin Ingrid Burow-Hilbig gebeten, uns den erforderlichen Aufwand einmal exemplarisch darzustellen.

Drei gravierende Veränderungen halten wir für bedenklich und diskussionswürdig:

  • den Förderausschuss hat die Schule zu bilden und teilweise zu stellen, bei der das Kind angemeldet wird,
  • die Anpassung der Klassenstärke der I-Klassen an die Regelklassen,
  • die Versetzung der Förderlehrer an die BFZs bei gleichzeitiger Heraufsetzung der Unterrichtsverpflichtung.

Ob nach der Landtagswahl im September da Korrekturen vorgenommen werden (können), ist noch gar nicht abzusehen. Hier nun der Bericht:

Auf dem Weg vom gemeinsamen Unterricht zur Inklusion am Beispiel der Ernst-Reuter-Schule II in Frankfurt am Main      

Die Ernst-Reuter-Schule II (ERS II) ist eine Schule für alle Kinder, für die leistungsstarken, für leistungsschwache Schüler/innen, für Schüler/innen mit Migrationshintergrund, für sozial benachteiligte, für Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, körperlichen Beeinträchtigungen, usw., usw., eben eine Schule der Vielfalt und Heterogenität. S. a. Schulbericht im Journal … .

Seit mehr als 20 Jahren nimmt sie Kinder mit Behinderungen auf. Jeweils 4 Kinder werden in jeder zweiten Klasse integriert. Diese Klassen sind immer mit einer Partnerklasse verbunden, die gemeinsame Projekt- und Wandertage planen, zusammen auf Klassenfahrt gehen, aber auch gemeinsam den Ethik- und Religionsunterricht sowie die Differenzierung in Mathematik, Englisch und den Naturwissenschaften und die Gruppengröße im praktischen Arbeitslehreunterricht organisieren. Das wird als „Best Practise“-Beispiel im Hessischen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, 2012 herausgegeben vom Hessischen Sozialministerium, hervorgehoben. In den Partnerverbänden arbeiten multiprofessionelle Teams miteinander, die sich gegenseitig unterstützen und bereichern. Dazu gehören Regellehrer, Förderschullehrer, Sozialpädagogen, Integrationsassistenten und Therapeuten. Auch diese Multiprofessionalität ist als ein Beispiel im Aktionsplan hervorgehoben. Alle Schüler/innen erhalten die bestmögliche Förderung und werden entsprechend gefordert. Individuelle Lernpläne sind selbstverständlich. Die Förderschullehrer sind genauso Klassenlehrer wie die Regellehrer und arbeiten gemeinsam an der individuellen Förderung jedes einzelnen Schülers.

Bislang lagen die Frequenzen der I-Klassen bei ca. 23 Schüler/innen Alle Lehrerinnen und Lehrer hatten eine Unterrichtsverpflichtung von 26 Std.

Mit dem neuen Hessischen Schulgesetz (vom Nov. 2011) und der VOSB (Mai 2012) wurden die Frequenzen angepasst an die Regelklassen und die Pflichtstunden der Förderschullehrer, die bislang Teil des Kollegiums der allgemeinen Schule waren, auf 28 angehoben. Förderschulen werden Beratungs- und Förderzentren (BFZ). Die Versetzung der Fördeschullehrer von der allgemeinen Schule an die BFZ ist angekündigt.

Förderausschüsse werden an der Schule, an der die Eltern eine zukünftige Beschulung wünschen, durchgeführt. Das bedeutet für eine Schule von der Größe der ERS II, die 8-zügig ist, dass ca. 25 Förderausschüsse stattfinden, in denen die aufnehmende Schule, die abgebende Schule, das Beratungs- und Förderzentrum, der Förderlehrer, der die Stellungnahme verfasst hat, die Eltern, evtl. ein Dolmetscher, ein Vertreter des Schulträgers, sofern bauliche Maßnahmen umgesetzt werden müssen, vertreten sein müssen. Für vorbeugende Maßnahmen kann das BFZ zusätzliche Stunden im Rahmen ihrer Ressourcen zur Verfügung stellen.

Was bedeutet das nun alles für die Weiterentwicklung und das Gelingen der Inklusion?

  • Räumliche und sächliche Voraussetzungen müssen geschaffen werden.
  • Verlässliche personelle Ressourcen – multiprofessionelle Teams – mit den verschiedenen Kompetenzen müssen weiterhin gewährleistet sein.
  • Die Frequenzen (Doppelzählung der Schüler/innen mit Förderbedarf?) müssen wieder gesenkt werden.
  • Die Schulen brauchen Unterstützung auf dem Weg zur inklusiven Schule bei der Entwicklung.
  • Das Bildungsangebot muss in Wohnortnähe sein.
  • Die Haltung/Einstellung in der Schulgemeinde muss vorhanden sein.

Ingrid Burow-Hilbig/Hans-Peter Kirsten-Schmidt