Über das von der Senatsverwaltung zur Diskussion gestellte Konzept für erste Schritte der Inklusion ist schon kurz berichtet worden. Neben einigen zu begrüßenden Maßnahmen – weitgehende Auflösung der LES-Sonderschulen (Lernen – Emotionale Entwicklung – Sprache) und Verteilung der dadurch frei werdenden Ressourcen an die dann "inklusiven Schulen", kein diskriminierender „Förderstatus“ mehr für die betroffenen Schüler/innen – bleiben eine Reihe von Problemen ungelöst und Forderungen offen: die Einbeziehung anderer Behinderungsarten, die Ausklammerung der Gymnasien (sie bleiben weiterhin exklusiv).
Unklar ist auch der Mechanismus, mit dem möglichst eine Gleichverteilung der betroffenen Kinder auf die Schulen erreicht werden soll (es findet keine vorherige Statusfeststellung statt) oder aber die Mittel bei den Schulen ankommen, die bei ungleicher Verteilung der Kinder am stärksten betroffen sind. Wünsche bleiben auch bei der Lehrerbildung offen.
Auch über die Problematik des Aufnahmeverfahrens in Integrierte Sekundarschulen (ISS) ist bereits kurz berichtet worden: Bei Übernachfrage (mehr Anmeldungen als Plätze) können die Schulen als Aufnahmekriterium die Noten der Grundschule heranziehen. Das ist, wie man hört, das am einfachsten zu handhabende Verfahren und vermeidet gerichtliche Auseinandersetzungen. Die meisten Schulen sind mit dem Ergebnis so umgegangen, dass es (ehem.) Gesamtschulen gab, die keine Schüler/innen mehr aufgenommen haben mit einem Notenschnitt, der schlechter als 2,3 war. Korrigiert werden konnte dieses Ergebnis nur über die 30% der Schulplätze, die durch das Los vergeben werden. Damit hatten diese Schulen schärfere Auswahlkriterien als manche Gymnasien. Dass man Schule für alle so nicht machen kann, müsste eigentlich allen Beteiligten klar sein: Gerade die schwächeren Schüler/innen haben geringere Chancen, in die Schule ihrer Wahl zu kommen: ihnen werden tendenziell die längeren Schulwege zugemutet und es wird die Tendenz gestärkt, dass sie sich gehäuft in den weniger nachgefragten Schulen wiederfinden. Wie bei diesem Verfahren das beabsichtigte Inklusionskonzept funktionieren soll und es nicht zu Häufungen der „Integrationskinder“ in den weniger nachgefragten ISS kommt, bleibt ebenfalls unklar. Es ist eine nette Idee, dass Integrierte Schulen und Gymnasien nach einem einheitlichen Verfahren ihre Schüler/innen aufnehmen. Wenn dieses Verfahren aber eine weitere Gentrifizierung befördert, muss es geändert werden.
Der Runde Tisch Gemeinschaftsschule Berlin, an dem die GGG Berlin mitarbeitet, lud die bildungspolitischen Sprecher/innen aller Parteien im Abgeordnetenhaus ein, um von ihnen zu hören, wie sie sich ihre Schulpolitik nach den Wahlen im September 2011 vorstellen. Und siehe da, alle kamen: Alle (nur mit kleineren Einschränkungen) wollen in der nächsten Legislaturperiode eine Konsolidierung der neuen ISS, wollen sich der Inklusion und der Lehrerbildung zuwenden, stellen – man höre und staune – das Probejahr und das Sitzenbleiben im Gymnasium in Frage. Ein nicht formal beschlossener "Schulfriede". Die CDU trat allerdings dafür ein, ISS und Gymnasium nicht an ihren Aufgaben orientiert sondern gleich auszustatten, also die bessere Ausstattung der ISS zu streichen. Auch bei der längerfristigen Perspektive gab es deutliche Unterschiede: Für die CDU und die FDP steht das Gymnasium nicht zur Disposition. Deutlich und ohne Vorbehalte sprach sich jedoch nur der Vertreter der LINKEN für die Schule für alle aus.
Am 25.05.2011 führte der Landesverband Berlin eine Veranstaltung durch, auf der Ulf Preuss-Lausitz das Inklusionkonzept des Senats erläutert und kommentiert hat. Auf der anschließenden Mitgliederversammlung wurde ein neuer Landesvorstand gewählt. Zu beiden oben angeschnittenen Themen – Inklusionskonzept des Senats und Aufnahmeverfahren an der ISS – beschloss die Mitgliederversammlung Stellungnahmen. Sie sind auf der Landesseite Berlin des GGG-Web-Auftritts zu finden.
Lothar Sack