Frankfurter IGS’sen Frankfurt, den 11.6.2012
Arbeitskreis der Schulleiter/innen der Frankfurter IGS’sen (i.V. Helga Artelt, Wolfram Waltemathe)
Arbeitskreis der pädagogischen Leiter/innen (i.V. Elke Blum, Silke Henningsen)
An das Kultusministerium Hessen
Frau Beer
Herr Klein
An das IQ Hessen
Herr Peter Herden, Leitung der Arbeitseinheit II.2 Zentrale Lernstandserhebungen
Zur Kenntnis an das IQ Berlin, Forum IGS, GGG Hessen und Bund, GEW, HLZ (Hessische Lehrerzeitung)
Verpflichtende Lernstandserhebungen an Integrierten Gesamtschulen
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die IGS ist eine Schuform, welche seit über 40 Jahren in Hessen zugelassen ist.
Dennoch wird sie im Bewusstsein des Kultusministeriums und des IQs immer wieder marginalisiert und unsere Arbeit damit unnötigerweise erschwert.
Dies findet sich auch bei den Bildungsstandards, auf welche sich die Lernstandserhebungen ja letztlich beziehen, wieder. Hier wird mangels Handreichungen von den IGS’sen gefordert, dass sie ihre Curricula auf der Basis von drei unterschiedlichen Niveaustufen erstellen, zudem sind Fächer wie NaWi oder GL nicht berücksichtigt.
Wir fordern darum entweder eine Nachbesserung der Lernstandserhebungen für unsere Schulform oder aber die Aussetzung der verpflichtenden Durchführung dieser Lernstandserhebungen an den Integrierten Gesamtschulen.
Diese Forderungen begründen wir wie folgt:
Nachdem einige Frankfurter IGS’sen sich an den freiwillig stattfindenden Lernstandserhebungen in den letzten Jahren beteiligten und die Erfahrungen ausgewertet und rückgemeldet wurden (siehe z. B. IGS Nordend, 2008/09 und Begründung der Nicht-Teilnahme 2010/11), mussten wir nun zur Kenntnis nehmen, dass die Teilnahme in diesem Schuljahr für alle Schulen und Schulformen verpflichtend angeordnet wurde.
Wir möchten hier ausdrücklich nicht auf Inhalte oder kritische Punkte in Bezug auf einzelne Aufgabenstellungen eingehen, ebenso möchten wir uns nicht über den enormen zeitlichen Korrektur- und Eingabeaufwand beklagen.
Es geht uns vielmehr um die Art der Umsetzung und den möglichen Gewinn, welchen wir als Schulform aus den Lernstandserhebungen ziehen könnten, denn für die Integrierten Gesamtschulen sehen wir leider sehr wenig bis keinen Nutzen.
- Anmeldung der Schülergruppen:
Bereits die Erfassung der Schülergruppen und die damit verbundene notwendige Zuordnung in A-, B- oder C-Gruppen ist mit unserem System nicht kompatibel. Da wir bewusst und gewollt heterogene Klassen zusammengestellt haben und diese zum Teil in Erweiterungs- bzw. Grundkurse binnendifferenziert unterrichten und benoten, fällt die Wahl der Aufgabenhefte schwer. Es bleiben zwei Alternativen, welche beide unbefriedigend sind.
Alternative 1:
Will man vom Leistungsniveau der Schülerinnen und Schüler ausgehen, muss man virtuelle Gruppen erfinden, indem man jahrgangsweit zum Beispiel die „Hauptschul“-, die „Realschul“- und die „Gymnasial“Kinder zunächst definiert und dann klassenübergreifend zuordnet, um sie als „Klasse“ anzumelden.
Dies hat zur Folge, dass die Auswertung, welche sich immer auf die Lerngruppe bezieht, von keinerlei Interesse ist, da diese Gruppe in der Realität nicht existiert.
Alternative 2:
Geht man von der real existierenden Gruppe aus, so meldet man die Klasse an und entscheidet sich in der Regel für das Basisheft B. Dies über-, bzw. unterfordert einige Schülerinnen und Schüler. Hier wünschen wir uns eine Lernstandserhebung, die, ähnlich dem Intelligenztest, in sich differenziert aufgebaut ist und für alle Schülerinnen und Schüler eingesetzt werden kann.
- Eingabe der Ergebnisse:
Auch hier ist unsere Schulform mit der Denkart der Lernstandserhebungen nicht kompatibel. Bei der notwendigen Eingabe der Halbjahresnote gibt es keine Möglichkeit zu präzisieren, ob es sich um eine Erweiterungs- oder um eine Grundkursnote handelt. Es müssen also differenzierte Vornoten ohne Kennzeichnung nebeneinander gestellt werden, was in der Praxis bedeutet, dass eine E2 zur Note 2, eine G2 ebenso zur Note 2 wird. Dies scheint nicht nur sinnlos zu sein, sondern auch einer einheitlichen Überprüfung bzw. Vergleichbarkeit zu widersprechen. Die Aussage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Lernstandsportals, dass diese Einzelangabe statistisch nicht relevant sei und dass die Noten auf ganz Hessen bezogen ja auch nicht vergleichbar seien, zeigt, dass nicht nur wir an der Sinnhaftigkeit von Einzel- und Detailabfragen zweifeln.
- Auswertung der Ergebnisse:
Eine nicht einheitlich, weil in qualitativer wie in quantitativer Hinsicht differenziert vorbereitete und unterrichtete Klasse, erhält eine einheitliche Rückmeldung zum Kompetenzstand der gesamten Lerngruppe. Dies ist bereits in sich ein Widerspruch und zeigt, dass die Ergebnisse für uns nur sehr bedingt aussagekräftig sind.
So zeigt die Sofortrückmeldung dann auch genau das, was die unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer auch ohne Erhebung und Eingabe von Datenmengen bereits wussten. Es ergibt sich kein Erkenntnisgewinn, schlimmer: aus oben genannten Problemen sehen wir auch keinen diagnostischen Nutzen.
- Intention der Lernstandserhebungen:
Wie auf dem Bildungsserver zu lesen, sind die erklärten Ziele der Lernstandserhebungen „interne Evaluation“, „Vergewisserung der Arbeit“, „Schülerförderung“ und „Weiterentwicklung von Unterricht“ in Richtung „Kompetenzorientierung“. Dies sind alles Ziele, welche wir unterstützen und eindeutig begrüßen.
Die Arbeit an einer IGS, in der bewusst heterogen zusammengesetzte Schülerinnen und Schüler gemeinsam lernen, kennzeichnet sich durch folgende Eckpunkte:
Eingangsdiagnostik, Erfassung von Lernausgangslagen in Klasse 5:
Hierfür nutzen viele IGS’sen zeitgemäße Onlinediagnostik, welche von unterschiedlichen Schulbuchverlagen angeboten wird. Diese sind relativ einfach durchzuführen und ergeben in der Auswertung sowohl eine individuelle als auch eine gruppenbezogene Rückmeldung. Zudem erhalten die Schülerinnen und Schüler in der Regel ein auf sie abgestimmtes Lern- bzw. Übungsprogramm.
Individuelles, kompetenzorientieres Arbeiten:
Unser Interesse gilt weniger dem Leistungsstand einer Klasse oder des Klassendurchschnitts als vielmehr der Lernentwicklung der einzelnen Schülerinnen und Schüler.
In Bezug auf die Eingangsdiagnostik fördern wir die Schülerinnen und Schüler individuell und bereiten sie mit gezielter Erweiterung ihrer Kompetenzen, auf den für sie jeweils bestmöglichen Abschluss vor. Hierzu wurde an den IGS’sen in unterschiedlicher Ausprägung eine „individuelle Lernzeit“ entwickelt und in den jeweiligen Schulprogrammen fest verankert. In Bezug auf diese individuelle Diagnostik würden wir uns von den Lernstandserhebungen Hilfe wünschen.
Feste Bezugspersonen und Begleitung:
Die leistungsdifferenzierten Klassen werden in der Regel durch hohe personale Bindung stabilisiert, häufig unterrichtet die gleiche Lehrkraft eine Klasse über die gesamten sechs Jahre. So haben wir ein sehr klares und ausdifferenziertes Bild der Leistungen unserer Schülerinnen und Schüler und darum von den Ergebnissen der Lernstandserhebung nicht überrascht.
Teamarbeit bzw. Arbeit in Jahrgangsteams:
Wir arbeiten in festen Teams, tauschen uns über Unterricht und pädagogische Förderung der einzelnen Schülerinnen und Schüler bzw. der Verbesserung unseres Unterrichts regelmäßig und intensiv aus. Wir arbeiten kontinuierlich und professionell an der Vergewisserung unserer Arbeit bzw. an der Weiterentwicklung von Unterricht.
Mit freundlichen Grüßen,
Arbeitskreis der Schulleiter/innen der Frankfurter IGS‘sen
Arbeitskreis der pädagogischen Leiter/innen