Normalität ist wandelbar.
(Georg Wilhelm Exler)

Länderbericht NRW 2023-11

Die Bildungskatastophe ist auch in NRW die immer wieder neue Normalität. Wie geht man professionell damit um?

Dies ist das erste ‚normale‘ Schuljahr seit vier Jahren. Insofern könnte es eine Entspannung geben. Man beachte den Konjunktiv! Denn kaum etwas ist noch so, wie es einmal war – nach der Corona-Zeit, mitten in einer Kriegszeit, mitten in Europa, mittendrin in allgemeiner Lebensverunsicherung. Wir gehen in ein schwieriges Schuljahr, in viele schwierige Schuljahre. Das ist die neue, gewandelte Normalität.

Und ich möchte gar nicht alles schwarz sehen oder schlechte Stimmung verbreiten. Aber es ist besser, sich mit einer veränderten Normalität zu arrangieren, als ständig zu jammern oder die Hände über dem Kopf zusammenzuschlagen.

Der Fachkräftemangel ist in den Schulen längst Alltag. An allen Schulen und in allen Schulformen leiden vor allem die Kinder und Jugendlichen darunter, vom Lernen bis hin zur sozialen Betreuung sind die Auswirkungen enorm zu spüren. Viel zu viele Kolleginnen und Kollegen laufen ständig am Limit. An viel zu vielen Schulen gibt es lediglich kommissarische Schulleitungen, viel zu viele Gebäude sind marode. Die Liste der Unzulänglichkeiten könnte noch deutlich verlängert werden. Es scheint nicht übertrieben, von einer Bildungskatastrophe zu sprechen.

Da war es ein gutes Zeichen zu diesem Schuljahresbeginn, dass in den Jahrgängen 7 und 8 eine Klassenarbeit weniger in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik geschrieben werden kann, dass mehr alternative Prüfungsformate ermöglicht werden sollen, um nicht eine Qualitätsdebatte loszutreten. Genau diese Forderungen sind der Ministerin im kleinen Kreis von mir, von Seiten der GGG vorgetragen worden. Insofern ist hier ein Erfolg zu verzeichnen, der zunächst nicht möglich schien. An der Umsetzung darf aber gerne noch gearbeitet werden. Dies am Freitag vor Schulbeginn am Montag in einer Pressekonferenz öffentlich zu machen, zeugt von wenig Einfühlungsvermögen in
schulische Abläufe. Die Fachkonferenzen, in denen dies beschlossen werden muss, hatten natürlich längst alle getagt, um das Schuljahr vorzubereiten und müssen jetzt erneut zusammenkommen, um Beschlüsse zu revidieren. Die angestrebte Entlastung fällt dadurch direkt ein wenig geringer aus als sie hätte sein können.

Und wie für das vierte Hauptfach an Gesamtschulen, Sekundarschulen und den Primusschulen verfahren werden soll, bleibt fraglich. Wurden sie vergessen und dürften auch reduzieren oder ist das vierte Hauptfach bewusst ausgenommen worden? Dann fehlt eine Erläuterung zu diesem Vorgehen. Allein – der Weg zu dieser Form der Entlastung ist schon einmal der richtige, zumal ebenfalls eine Klassenarbeit wegen der ZP 10 (Zentrale Prüfungen am Ende der Klasse 10) entfallen kann; das ist bereits seit Dezember bekannt. Andere Prüfungsformate liegen übrigens bereits vor, sie müssen nicht mehr mit großem zeitlichen Vorlauf entwickelt werden, wie es in der Pressekonferenz hieß.

Nicht gut angekommen und auch nicht gut funktioniert haben Maßnahmen der Lehrkräftegewinnung des Ministeriums. Abordnungen ermutigen Lehrkräfte nicht zu besonderem Engagement, das wir unbedingt an Schulen brauchen. Auch die Diskussion um die Streichung bzw. Einschränkung der voraussetzungslosen Teilzeit hat für Menschen im System Schule eher dazu geführt den Verbleib überhaupt in Frage zu stellen, als mit voller Stundenzahl einzusteigen. Das eben nicht zu tun, hatte und hat Gründe, die in aller Regel wohl überlegt sind.

Diese Personen wollen ihre Arbeit gut schaffen, dabei gesund bleiben, verzichten deshalb auf einen Teil ihres Gehaltes und reduzieren Stunden. Apropos gesund bleiben im System Schule: Gab es da nicht mal zwei COPSOQ-Studien (Copenhagen Psychosocial Questionnaire)? Eine große Rolle scheinen diese und die schulischen Ergebnisse nicht mehr zu spielen. „Schule muss anders“ – ganz offensichtlich! Schließen Sie sich dem Bildungsappell hier oder auf den entsprechenden Telegram-Kanälen an. Die GGG gehört mit zu den Erstunterzeichnern.

Und sollten Sie noch auf der Suche nach einem schnell umsetzbaren Projekt sein, das nachhaltig ist und die Unterstützung Hilfsbedürftiger fördert: Man muss nur Kronkorken sammeln, um den Müll in unserer Umwelt zu reduzieren und gleichzeitig Gutes zu tun. Das Projekt BlechWech unterstützt mit dem Erlös recycelter Kronkorken SOS-Kinderdörfer weltweit und aktuell eine Mutter-Kind-Klinik in Somalia. Um ein Kind zu impfen, werden 890g ≈ 468 Stück benötigt, 1 Kronkorken wiegt 1,9g. Auch viele Schulen haben sich bereits angeschlossen: https://blechwech.de/ .

Andreas Tempel

Kontakt:

Der Länderbericht erschien in Die Schule für alle 2023/4.

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