Nachruf
Wir haben einen Verbündeten, einen Mitstreiter verloren.
Wolfgang Edelstein hat bereits als 9-Jähriger erfahren, was Exklusion (in Deutschland) und Inklusion (in Island) mit Menschen macht. Seine Erfahrungen in Island haben ihn stark geprägt und waren ihm sein ganzes Leben – auch nach der Nazizeit zurück in Deutschland – ein starker Impuls für sein Menschen- und Gesellschaftsbild. Dem Land, das ihm Schutz bot, blieb er sein Leben lang verbunden. Es zeigte ihm, wie eine demokratische Gesellschaft funktioniert: Jeder gehört dazu und alle werden gebraucht.
Sein pädagogisches Wirken – ob als Lehrer und Studienleiter in der Odenwaldschule (*) oder als Mitarbeiter und Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung – war der Frage gewidmet, wie Bildung – vom Klassenzimmer bis in die Politik – demokratietauglich zu gestalten ist. Selbst an der Ausgestaltung und Etablierung des Klassenrats maßgeblich beteiligt, ging sein Ansinnen doch weit über die Schaffung eines bloß formal verstandenen Gremiums hinaus: Für ihn war die Schule der Ort, an dem bereits Kinder Demokratie positiv erleben können und müssen als Bestandteil ihrer Selbstwirksamkeitserfahrungen. Für ihn war Schule von ihrer demokratiestiftenden Aufgabe nicht zu trennen. (s. Interview Das Schulsystem ist demokratiewidrig, 2007 im Bildungsklick)
Er war maßgeblich Mitinitiator des Projektes Demokratie leben & lernen und die DeGeDe (Deutsche Gesellschaft füt Demokratiepädagogik) würde es vermutlich ohne ihn nicht geben.
Darüber hinaus war er ein stets zugewandter und interessierter Diskussionspartner, der es verstand, Meinungsunterschiede nicht konfrontativ sondern zur Klärung der Sachfragen zu nutzen. Gespräche mit ihm waren immer eine Freude.
Auch wenn er die Mahnung und Forderung nicht mehr selbst aussprechen kann, für uns gilt sie weiterhin:
Menschen müssen Demokratie bereits in ihren frühen Jahren leben, damit aus positiven Erfahrungen demokratische Überzeugungen und Haltungen – und nicht nur Lippenbekenntnisse – als Basis für den notwendigen gesellschaftlichen Zusammenhalt erwachsen können.
LOTHAR SACK
(*) Die Missbrauchspraktiken an der Odenwaldschule hat Wolfgang Edelstein übrigens frühzeitig und eindeutig verurteilt.