- unsere Antwort auf aktuelle Herausforderungen
GGG-Bundestagung 2017

Freitag, 17. Nov. 2017
Paul-Hindemith-Gesamtschule
Schwalbacher Str. 71-77, 60326 Frankfurt a. M.

im Rahmen der Frankfurter Woche der Gesamschule 15. Nov. bis 18. Nov. 2017.

Barbara Riemnann berichtet über die Bundestagung 2017 in Frankfurt a.M. , die in die Frankfurter Woche der Gesamtschule eingebettet war. Rosemary Tracy, Ahmad Mansour und Kurt Edler gaben wertvolle Hinweise, wie wir auf aktuelle Herausforderungen antworten können.

Grußwort Bericht

Die Bundestagung war eingebettet in ein mehrtägiges Programm im Rahmen der Woche der Gesamtschulen in Frankfurt. So konnten schon am Vortag acht Frankfurter Gesamtschulen besucht werden. Deren Angebote knüpften inhaltlich an das Thema des Kongresses an. Am 18.11.17 endete die Woche der Gesamtschule mit einem sehr gut besuchten Markt der Möglichkeiten, auf dem sich die Frankfurter Gesamtschulen der interessierten Elternschaft vorstellten.

Gastgeberschule für die Bundestagung war die Paul Hindemith Schule, eine integrierte Gesamtschule mit 680 Schüler/-innen aus 61 Nationen. Nach einem erfrischenden musikalischen Auftakt, dem Schulrap, den Achtklässler vortrugen, begrüßte der Schulleiter Matthew George die ca. 100 Tagungsteilnehmer/-innen. Er schilderte die vielfältigen Herausforderungen des Gallus,eines Stadtteils mit mehr als 40.000 Einwohnern, der weiterhin dynamisch wachse. Schon heute kooperiere die PHS mit vielen Institutionen im Stadtteil. Geplant sei ein Bildungscampus u. a. mit Stadtbücherei, Kita, Berufsschulen und neuer gymnasialer Oberstufe. Für die Gestaltung dieser Aufgabe sei es wichtig, den „Tunnelblick" der Einzelschule aufzugeben und aufeinander zuzugehen.

Der Bundesvorsitzende Gerd-Ulrich Franz eröffnete die Bundestagung. Stadträtin Sylvia Weber schloss hieran an und führte anlässlich der vielen Überlastungsanzeigen aus den Gesamtschulen aus, dass die personelle, räumliche und sächliche Ausstattung für diese inklusive Aufgabe (noch) unzureichend sei. Mit dem Bildungscampus Gallus verknüpfe die Stadt Frankfurt auch den Wunsch, mit guten Freizeitangeboten der Radikalisierung und dem Rückzug indoktrinierter Jugendlicher entgegenzuwirken.

Den einführenden Eröffnungsreden schlossen sich drei Impulsreferate an:

Prof. Dr. Rosemarie Tracy, Sprachwissenschaftlerin an der Universität Mannheim, hob die Bedeutung der Sprache als Schlüssel zur Identität hervor. Mehrsprachigkeit ermögliche Mehrstimmigkeit und vermittle eine selbstbewusste, hybride Identität. In der Schule jedoch würden mehrsprachige Kinder an monolingualen Normen gemessen. Damit wäre der Blick auf die Vielfalt ihrer sprachlichen Kompetenzen stark eingeschränkt. Wünschenswert wäre deshalb eine Lehreraus- und -fortbildung, die für diese erweiterte Sichtweise kompetent mache.

Ahmad Mansour, Diplom-Psychologe und Programmdirektor der European Foundation for Democracy, schilderte die antidemokratischen Denkmuster der „Generation Allah", aus der eine zahlenmäßig starke Gruppe von Salafisten und Dschihadisten erwachsen könne. Den Salafisten gehe es mit einer einfachen Rhetorik um einfache Antworten auf komplexe Probleme. Die Argumentation sei gekennzeichnet von Schwarz-Weiß-Bildern, Idealisierungen und Verschwörungstheorien, zudem geprägt von einem antisemitischen Gedankengut. Der Radikalisierungsprozess treffe auf Jugendliche, die in krisenhaften Phasen auf der Suche nach Identität, nach Bindung, nach Exklusivität und nach „Befreiung" von der alten Rolle seien. Die Schule müsse deshalb, so das Fazit, präventiv in der Lage sein, Jugendliche vor den Islamisten und Salafisten zu erreichen.

Kurt Edler, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Demokratiepädagogik, beschrieb Grundmuster populistischer Argumentation. „Ressentimentgeladene Narrative" kämen hinzu: die vermeintliche Bedrohung ethnischer Identität, die Beschwörung linker Unterwanderung der Republik, des Genderwahns, der gesellschaftlichen Modernisierung. Für die Schule käme es darauf an, die „demokratische Resilienz" zu stärken: Grundlage hierfür wäre aus Einsicht, ohne Angst und ohne Bevormundung, seinen (Lern)Weg gehen zu können, aber gleichzeitig auch die Freiheit und das Menschenrecht anderer zu verteidigen. Dazu braucht es, so Edler, eine diskriminierungsfreie Schule, in der allen Formen der Beschämung entgegengewirkt würde.

Nach dem Mittagessen versammelten sich die Teilnehmer/-innen in drei Foren, um mit den Fachleuten diese Themen zu vertiefen und weitere Aspekte hierzu auszutauschen. Eine Arbeitsphase, die intensiv genutzt wurde.

Die Tagung schloss mit einer Podiumsdiskussion ab, auf der die Teilnehmer/-innen Fabian Pflume (Landesschulsprecher Hessen), Jan Voss (Elternbund Hessen) und Maike Wiedwald (GEW Hessen) die Forderung nach längerem, gemeinsamen Lernen ohne Aussonderung bekräftigten.

Wer wollte und noch konnte, war am Abend eingeladen zu einem ganz besonderen Konzert, veranstaltet von bridges, einer interkulturellen Musikinitiative, die geflüchtete und hier beheimatete Profimusiker/-innen gemeinsam in Ensembles zusammen bringt. Mit zwei Ensembles, die klassisch-orientalische Musik vortrugen, endete der Abend. Für alle, die hieran teilnahmen, war es ein ganz besonderer musikalischer Leckerbissen.

Barbara Riekmann

Fotos: Werner Kerski, Reinhard Wanzke
Fotos und Collage: Christa Gramm