Gerd-Ulrich Franz antwortet auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 22. Okt. 2018. Jan-Martin Wiarda schreibt unter dem Titel "Masse und Klasse" über die Veränderungen im Gymnasium und stellt fest, dass mittlerweile das Gymnasium zur Schule für (fast) alle geworden sei. Gerd-Ulrich Franz widerspricht ihm mit dem Hinweis, dass das Gymnasium mit mehr als 50% der Schüler weiterhin nichts zu tun haben will.
Stellungnahme/Leserbrief zu einem Bericht in der Süddeutschen Zeitung vom 22.10. mit dem Titel Masse und Klasse
Der Bericht beschreibt eine veränderte Praxis an Gymnasien und folgerte aus dem "run", dass eine neue Vielfalt an den Gymnasien aus diesen eine Schule für fast alle machen würde.
Der Leserbrief erschien leider gekürzt - gerade die Kritik an dem meinen Beitrag auslösenden"(fast) alle" fehlt – sie ist darum hier vorangestellt:
„Schule für (fast) alle“ ? - nein, wir brauchen eine Schule für (wirklich) alle!
Politische Absicht – oder schlichte journalistische Verkürzung – in jedem Fall bewirkt der Beitrag eine unverantwortliche, irreführende Botschaft. Der Einschub „(fast)“ alle unterschlägt immerhin die Hälfte eines Jahrgangs! – als stünde dieser Weg allen offen. Wenn dann der ‚run‘ auf das Gymnasium mit „holen von Bildungschancen“ gleichgesetzt wird, ignoriert dies gleichermaßen Bildungsauftrag und pädagogische Arbeit der anderen Schulformen."
Die erfreulichen pädagogischen Ansätze an heutigen Gymnasien sind nicht Ursache der Nachfrage, sondern eine notwendige Reaktion auf den Zustrom. Sie dienen der Bewältigung – nicht der Akzeptanz der Verschiedenheit der Kinder. Diese Bildungsanstalt pflegt ein Selbstverständnis der "Besseren", entspricht so dem Bedürfnis vieler Eltern, ihrem Kind einen Konkurrenzvorteil zu verschaffen, statt wirklich "Bildung" anzustreben. Es geht um soziale Sonderung, die Privilegien sichert oder Aufstieg verspricht – das Merkmal der deutschen Schule! Davon darf auch eine steigende Quote nicht ablenken. Die Erfolge der integrierten Schulen beruhen stattdessen und trotz dieses gesellschaftlichen Gegenwinds auf einer pädagogischen Praxis, die individuelle Verschiedenheit anerkennt, die Vielfalt für gemeinsames Lernen fruchtbar macht. Wertschätzendes Miteinander wird erleb- und erlernbar. Nur wenn wir die unredliche Konkurrenz im Bildungswesen beenden, können wir die fortgesetzte Spaltung der Gesellschaft mindern und überwinden. Bestmögliche Potenzialentfaltung für alle muss oberstes Ziel der öffentlichen Schule sein – der vermeintlich legitime Vorteil für einige sollte nicht die Schulstruktur prägen. In letzter Konsequenz bedarf es einer gemeinsamen, inklusiven Schule für wirklich alle.
Im folgenden der um diese Einleitung gekürzte Leserbrief in der SZ.
Gerd-Ulrich Franz, Groß-Umstadt
Vorsitzender GGG, Gemeinnützige Gesellschaft Gesamtschule, Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V.