Gespräch mit Nicole Gohlke (MdB), Bildungsexpertin der Bundestagsfraktion
Am 22. Mai haben sich Vertreter:innen der GGG mit Nicole Gohlke (die voraussichtliche Sprecherin für Bildung und Wissenschaft der Linken im Bundestag, die Sprecher:innen-Positionen waren zum Zeitpunkt des Gespräches noch nicht besetzt) und ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterin zu einem ca. 1,5-stündigen fruchtbaren Austausch getroffen.
Für die GGG haben teilgenommen: Dieter Zielinski (Vorsitzender), Anna Ammonn (Bundesvorstandsmitglied) und Johann Knigge-Blietschau (Mitglied im Hauptausschuss der GGG) Gerd-Ulrich Franz (Koordinator für die GGG im „Bündnis Eine für Alle“)
Zu Beginn des Gespräches unterstrich Frau Gohlke die Absicht der Linken, ihre bundespolitischen Anliegen offensiver und selbstbewusster in den Bundestag einzubringen, auch als Oppositionspartei und trotz der verbreiteten Ansicht, Bildungspolitik sei „Ländersache“. Ihre Partei ist entschieden der Meinung, dass sich der Staat nicht aus der zentralen Aufgabe der Herstellung von Bildungsgerechtigkeit und Inklusion aus der Verantwortung stehlen dürfe.
Hier möchte die Linke „den gordischen Knoten zum Platzen bringen“, vor allem um vom Kooperationsverbot zu einem kooperativen Bildungsföderalismus zu kommen. Dafür strebt Die Linke die Einbringung eines Bildungsrahmengesetzes, analog dem Hochschulrahmengesetz, an. So möchten sie erreichen, dass Rahmenbedingungen und übergreifende Bildungsziele, Rechte und verbindliche Standards bundeseinheitlich festgelegt werden. Dazu gehören auch Grundsätze bedarfsgerechter Ressourcenzuweisungen zwischen Bund und Ländern, ausgerichtet an einem Sozialindex. Ein damit verbundenes Ziel ist die Herstellung der Gleichwertigkeit von Bildung im gesamten Bundesgebiet. Die Linke möchte die vollständige Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern in der Bildung und stattdessen eine Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz verankern. Unseren Gesprächspartnerinnen ist die Wucht dieser Aufgabe bewusst, zumal weder KMK noch Bund in dieser Hinsicht etwas umsetzen konnten. So ist es der neuen Bildungsministerin in ihrem alten Amt auch als KMK-Präsidentin nicht gelungen, diese Gleichwertigkeit und Bildungsgerechtigkeit unter den Ländern hinzubekommen. Ebenso versagte die Ampel-Bundesregierung mit ihrem Bildungs-Gipfel in der letzten Legislaturperiode – dieser brachte nichts und hatte den Namen nicht verdient. In einer parlamentarischen Initiative hatte Die Linke diesen Vorschlag eines bundesweiten Bildungsrahmengesetzes bereits in den Bundestag eingebracht.
Es folgte ein reger Austausch über die gegenseitigen Vorstellungen, in welchen Schritten und mit welcher Strategie wir zum längeren gemeinsamen Lernen und zur ‚Einen Schule für alle‘ kommen können. Über viele der von uns im Entwurf des Positionspapiers der GGG vorgeschlagenen Schritte bestand großes Einvernehmen.
Für Die Linke ist es vorrangig, dass der Bund in der Bildungsplanung Maßnahmen zulässt und unterstützt, die das längere gemeinsame Lernen (von Klasse 1 bis 10, besser bis 13) ermöglichen. Er soll, so Die Linke, seine Verantwortung für ein inklusives, gerechtes Bildungswesen wahrnehmen. In diesem Zusammenhang spielt auch die Förderung der Gründung und Evaluierung von Modellschulen eine Rolle.
Eine längere Debatte nahm die Frage ein, wie offensiv und öffentlich wir mit dem Selektionscharakter der Gymnasien umgehen können und wollen, der auch Ursache für Bildungsungerechtigkeit und mangelnde Inklusion ist. Die GGG ermunterte unsere Gesprächspartnerinnen darin, die schädliche Wirkung des gegliederten Schulsystems auch mit Blick auf die Inklusion zu thematisieren und die Abschaffung des Gymnasiums öffentlich zu fordern. Weiterhin wurde der Vorschlag aus dem Hauptausschuss der GGG, einklagbare Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern, an Nicole Gohlke herangetragen. Kodifizierte Kinderrechte im Grundgesetz könnten die Grundlage für individuelle Klagen gegen Bildungsbenachteiligung bieten. Die Linke hat auch hierzu bereits parlamentarische Initiativen im Bundestag gestartet, zum Beispiel 2015 (https://dserver.bundestag.de/btd/18/060/1806042.pdf).
Für Die Linke ist es wichtig, die schädliche Wirkung des gegliederten Schulsystems auch mit Blick auf die Inklusion zu thematisieren. Die Herausforderung besteht darin, dass das Inklusionsverständnis in breiten Teilen von Politik und Öffentlichkeit sich noch immer nur auf die Einbeziehung behinderter Menschen und quasi auf Barrierefreiheit bezieht und oftmals mit Integration gleichgesetzt wird.
Diese eingeschränkte Interpretation ist aber nicht die der Linken und der GGG, wir meinen mit Inklusion die uneingeschränkte Teilhabe aller Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit an allen Bereichen des öffentlichen Lebens und damit auch in der Bildung im Sinne einer inklusiven Gesellschaft. Davon sind wir weit entfernt.
Verabredet haben wir:
Über die Weiterentwicklung und Kommunikationsstrategie für ein Bildungsrahmengesetz werden wir in engem Austausch bleiben. Dazu wird Frau Gohlke ggf. auch in unserem Magazin Stellung nehmen. Weitere wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen werden in geeigneter Form gegenseitig kommuniziert. Folgegespräche können niedrigschwellig auch per Zoom stattfinden.