Der GGG-Bundesvorsitzende zu den Ergebnissen von PISA 2009
Deutschland ist einer der wenigen OECD-Staaten, die sich positiv entwickelt haben. Doch das Grundübel des Deutschen Schulsystems bleibt: Die Chancenungleichheit - noch immer hängt der Bildungserfolg in Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab. Neun Jahre sind vergangen, seit uns dieses Ergebnis bei der ersten PISA-Studie auf den Tisch gelegt wurde. Deutschland leistet es sich auch heute noch, knapp 20% eines Jahrgangs von gesellschaftlicher Partizipation abzuhängen – der dunkelste Fleck auf der Weste der "Bildungsrepublik".
"Deutschland ist einer der wenigen OECD-Staaten, der sich positiv entwickelt hat." Diese Einschätzung stammt von Eckhard Klieme vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (Dipf), und ihm ist zuzustimmen, wenn man die deutschen Ergebnisse im Überblick betrachtet (Quelle: dpa):
Lesen/Textverständnis: Zehn Jahre nach dem ersten Pisa-Test 2000 erzielt Deutschland in dieser Schlüsselkompetenz für das Lernen 497 Leistungspunkte - 13 mehr als damals. 40 Punkte der Pisa-Skala entsprechen dem Lernfortschritt von einem Schuljahr. Deutschland landet damit im Mittelfeld. Der aktuelle OECD-Schnitt beträgt 493 Punkte. Seit 2006 stagnieren allerdings die deutschen Leseleistungen.
Naturwissenschaften: Hier verzeichnet Deutschland zwischen 2000 und heute den größten Fortschritt und kommt jetzt auf 520 Punkte (2000: 487 Punkte). Der OECD-Schnitt beträgt 501 Punkte. Deutschland erreicht damit das obere Leistungsdrittel.
Mathematik: Ähnliches gilt für Mathematik. Hier kommt Deutschland auf 513 Punkte (2000: 490 Punkte). Doch in Pisa-Spitzenländern wie Finnland oder Korea oder auch in Regionen wie Shanghai oder Hongkong sind die 15-jährigen Schüler den Gleichaltrigen aus Deutschland in Mathematik und Naturwissenschaften weit voraus - häufig sogar ein bis zwei Schuljahre. Der OECD-Schnitt beträgt in Mathematik 496 Punkte.
Risikoschüler: Die Zahl der 15-Jährigen in Deutschland, die beim Eintritt ins Arbeitsleben nur auf Grundschulniveau Texte verstehen können, ist von 22,6 Prozent (2000) auf 18,5 Prozent eines Jahrganges gesunken. Doch das ist immer noch viel zu viel und schafft laut Pisa- Forschung erhebliche Probleme beim Berufseinstieg.
Migranten: Die Schulleistungen von Migranten sind besser geworden. Gleichwohl schneiden Kinder aus Familien, bei denen beide Eltern nicht in Deutschland geboren wurden, immer noch 56 Pisa-Punkte schlechter ab als Gleichaltrige mit deutschen Wurzeln (2000: 84 Punkte).
Lehrer: Deutsche Pädagogen kommen im Urteil ihrer Schüler inzwischen besser weg als noch vor zehn Jahren: 70,5 Prozent der Schüler glauben, dass sie von ihren Lehrern zusätzliche Hilfen erhalten, sofern dies nötig ist (2000: 58,6 Prozent). Und 77,4 Prozent fühlen sich von ihren Lehrern fair behandelt (2000: 72,7).
An dem vierten weltweiten Pisa-Schultest 2009 nahmen aus Deutschland 4970 Schüler aus 223 Schulen teil. Insgesamt beteiligten sich an der größten Schulleistungsuntersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 470 000 Teilnehmer im Alter von 15 Jahren. Sie kommen aus den 34 wichtigsten OECD-Industrienationen sowie aus 31 Partnerregionen.
Deutschland belegt mit den Ergebnissen von 2009 einen Platz im oberen Mittelfeld. "In Noten umgerechnet wäre das eine gute Drei. Das bringt ein Schulterklopfen, weil sich der Schüler nach oben arbeitet, aber wahre Begeisterung löst das "Befriedigend" nicht aus", schreibt Katja Irle im Leitartikel der FR.
Denn das Grundübel des Deutschen Schulsystems bleibt: Die Chancenungleichheit - noch immer hängt der Bildungserfolg in Deutschland stark von der sozialen Herkunft ab. Neun Jahre sind vergangen, seit uns dieses Ergebnis bei der ersten PISA-Studie auf den Tisch gelegt wurde. Deutschland leistet es sich auch heute noch, knapp 20% eines Jahrgangs von gesellschaftlicher Partizipation abzuhängen – der dunkelste Fleck auf der Weste der "Bildungsrepublik". Der weltweite Vergleich zeigt, was wir falsch machen und wie es besser ginge: Je früher Kinder auf unterschiedliche Schulformen verteilt werden, desto größer sind bei den 15-Jährigen die Leistungsunterschiede nach sozio-ökonomischen Hintergrund – ohne dass dadurch die Gesamtleistung der Schüler oder die Ergebnisse der Leistungsstärkeren besonders gut wären.
Neu sind diese Erkenntnisse nicht, aber wir als GGG und unsere Bündnispartner müssen sie immer wieder und hartnäckig verbreiten, damit das längere gemeinsame Lernen möglichst bald in der gesellschaftlichen Diskussion sowie den politischen Entscheidungsgremien mehrheitsfähig wird.