GGG Magazin
ImFokus – SchuleImFokus:
– Inklusion 2023
GGGaktiv:
– Tagung mit dem Grundschulverband
– Oberstufe
– Bündnis Eine für alle
Das ganze Heft: DIE SCHULE FÜR ALLE 2023/4
INHALT
Editorial / In eigener Sache
Dieter Zielinski
EDITORIAL
IN EIGENER SACHE WER FÜR UNS SCHREIBT IMPRESSUM
Nachruf Anne Volkmann
Die Redaktion des Magazins Die Schule für alle trauert um Anne Volkmann
Am 12. Oktober 2023 ist Anne Volkmann im Alter von 73 Jahren verstorben. Sie hat lange gekämpft, sie hat nie die Zuversicht verloren und bis wenige Wochen vor ihrem Tod in der Redaktion mitgearbeitet. Leider war ihre schwere Krankheit stärker als sie.
Anne Volkmann hat das Magazin „Die Schule für alle“ mitgegründet und von Anfang an bis zuletzt aktiv und inhaltlich gestaltend begleitet. Wir alle schätzten ihre klare und engagierte Arbeitsweise. Oft kurz und prägnant, mit norddeutschem Zungenschlag hat sie humorvoll Themen auf den Punkt gebracht. Sie hat unsere Arbeit inhaltlich und menschlich bereichert.
Anne fehlt uns!
Peter Ehrich – Christa Gramm – Margot Kreuder – Christa Lohmann – Barbara Riekmann – Lothar Sack – Konstanze Schneider – Dieter Zielinski
Gastbeitrag
Inklusion an deutschen Grundshulen – der Grundschulverband nimmt Stellung
Edgar Bohn
Inklusive Bildung – zwischen menschenrechtlichem Anspruch und Wirklichkeit an Grundschulen
GGGaktiv
Berichte aus der bildungspolitischen Verbandsarbeit
Die ganze Rubrik GGG aktiv mit allen Artikeln seht Ihnen zum Herunterladen zur Verfügung.
M. Gutzmann, G. Klenk, D. Zielinski: Verantwortung für Bildungsgerechtigkeit
GGG und Grundschulverband haken sich unter: Gemeinsam sind wir stärker. Veranstaltung mit dem GSV in der Berliner Fritz-Karsen-Schule im Sept. 2023
Marion Gutzmann, Gebriele Klenk, Dieter Zielinski
Verantwortung für Bildungsgerechtigkeit – Startchancen-Programm als Chance
A. Skouras: Ein zukunftsfähiges Abitur!
Für eine zukunftsfähige Oberstufe bedarf es vieler Aktivitäten.
Andreas Skouras
Ein zukunftsfähiges Abitur – Dafür streitet die GGG
G.-U. Franz: Das Bündnis 'Eine für alle'
Was lange währt, … braucht einen langen Atem.
Gerd-Ulrich Franz
Das Bündnis "Eine für alle" – die inklusive Schule für die Demokratie 2014–???
ImFokus
Etwas Fortschritt, meist Stillstand, gar Rückschritt – und ein problematisches Verständnis von Inklusion: Deutschland als Ganzes wird wohl auch in den kommenden Jahren zur Kritik Anlass geben.
Zum Herunterladen steht Ihnen die ganze Rubrik Im Fokus mit allen Artikeln zur Verfügung.
M. Rackles: Inklusive Bildung 2023 – Beharrungskräfte der Exklusion und ...
Inklusive Bildung ein Menschenrecht – auch in Deutschland?
Mark Rackles
Inklusive Bildung 2023 – Beharrungskräfte der Exklusion und notwendige Transformationsimpulse
K. Klemm: Inklusion in Deutschlands Schulen – Stillstand und Rückschritt
– Stillstand und Rückschritt
Kann oder will Deutschland die Inklusion nicht realisieren?
Klaus Klemm
Inklusion in Deutschlands Schulen: – Stillstand und Rückschritt
L. Sack: Zusammenhänge – Exklusion und Zahl der Schularten
– Exklusion und Zahl der Schularten
Was die Anzahl der Schularten mit der Entwicklung der Inklusion zu tun hat.
Lothar Sack
Zusammenhänge – Exklusion und Zahl der Schularten
A.-D. Stein: Initiative Enquete-Kommission Gesellschaftliche Inklusion ...
des Deutschen Bundestages
Ein starkes Bündnis für die Einsetzung einer Enquete Kommission
Anne-Dore Stein
Initiative Enquete-Kommiassion Gesellschaftliche Inklusion des Deutschen Bundestages
V. Igstadt: Das Wahlrecht der Eltern auf inklusive Beschulung ...
– Anspruch und Wirklichkeit
Kann ein Elternwahlrecht auf den Sonderschulbesuch vereinbar sein mit der inklusiven Schule?
Volker Igstadt
Das Wahlrecht der Eltern auf inklusive Beschulung – Anspruch und Wirklichkeit
B. Bosse u. a.: Dauerbaustelle Inklusive Schule
– eine Elternperspektive aus Niedersachsen
Eltern in der Zwickmühle zwischen unbefriedigender Inklusion und „verlockenden“ Förderschulangeboten.
Bärbel Bosse u. a.
Dauerbaustelle Inklusion – eine Elternperspektive aus Niedersachsen
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Wir möchten Sie aufmerksam machen auf auf drei Sonderbeiträge:
M. Rackles: Inklusive Bildung 2023 – Quellen
Die Quellenangaben von Mark Rackles geben einen guten Überblick über die derzeitige Diskussion zum Thema Inklusion
Quellen zu
Mark Rackles:
Inklusive Bildung 2023
in Die Schule für alle, Heft 2023/4 Quellen zu M. Rackles
- Bertelsmann-Stiftung (2023) Factsheet – Inklusion im deutschen Schulsystem Schuljahr 2021/2022. Klaus Klemm, Nicole Hollenbach-Biele, Chantal Lepper.
online - Bündnis deutscher Nichtregierungsorganisationen zur UN-Behindertenrechtskonvention c/o Deutscher Behindertenrat (Weibernetz e. V.) (Hrsg.): Menschenrechte Jetzt! – Gemeinsamer Bericht der Zivilgesellschaft zum 2. und 3. Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention durch Deutschland, Juni 2023
download Deutsches Institut für Menschenrechte (2023) Monitoring-Stelle UN Behindertenrechtskonvention – Parallelbericht an den UN-Ausschuss für die Menschen mit Behinderungen zum 2./3. Staatenprüfverfahren Deutschlands. Juli 2023
online - Committee of the Rights of Persons with Disabilities (2023) Concluding observations on the combined second and third periodic reports of Germany. Report CRPD/C/DEU/CO v. 3.10.2023
online - GGG (2011): Erklärung zur inklusiven Bildung, beschlossen vom GGG-Bundeskongresses und von der GGG-Mitgliederversammlung am 17. September 2011 in Hildesheim
online - Hanschmann, Felix (2020): Schulische Inklusion in Hessen. Die Umsetzung des Inklusionsgebotes vor dem Hintergrund der Anforderungen des Artikels 24 der UN-BRK. In: Gruppe InklusionsBeobachtung (GIB) (Hg.): Zehn Jahre UN-Behindertenrechtskonvention an hessischen Schulen. Eine kritische Bilanz. Frankfurt a.M., S. 8–21.
download - Hänsel, Dagmar (2003): Die Sonderschule – ein blinder Fleck in der Schulsystemforschung. In: Zeitschrift für Pädagogik 49 (4), S. 591–609.
download - Klemm, Klaus (2022): Inklusion in Deutschlands Schulen – Eine bildungsstatistische Momentaufnahme 2020/21; Bertelsmann-Stiftung
online - News4teachers:vom 19.12.2019
online - Preuss-Lausitz, Ulf (2011): Zum Stand und den Perspektiven inklusiver sonderpädagogischer Förderung in Thüringen; Gutachten im Auftrag B90/G Thüringen
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Rackles, Mark (2021) Inklusive Bildung in Deutschland – Beharrungskräfte der Exklusion und notwendige Transformationsimpulse
online - Robert Bosch Stiftung (2023): Das Deutsche Schulbarometer: Aktuelle Herausforderungen aus Sicht der Lehrkräfte. Ergebnisse einer Befragung von Lehrkräften allgemein- und berufsbildender Schulen
online - Weishaupt, Horst (2019): Zur Situation sonderpädagogischer Förderung in Hessen im Schuljahr 2016/17. In: Detlef Fickermann und Horst Weishaupt (Hg.): Bildungsforschung mit Daten der amtlichen Statistik. Münster, New York: Waxmann (Die Deutsche Schule. Beiheft), S. 251–267.
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Zur Erinnerung: Auszüge aus Art. 24 (Bildung) der UN-BRK
Zur Erinnerung:
Auszüge aus Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention
„Artikel 24 – Bildung
(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ... zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives inklusives (1) Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, …
c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen wirksamen Teilhabe Partizipation an einer freien Gesellschaft zu befähigen.
(2) ... stellen die Vertragsstaaten sicher, dass
a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom ... Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden;
b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt … Zugang zu einem integrativen inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben; ...
d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche wirksame Bildung zu erleichtern ermöglichen; ...
(4) … Schulung von Fachkräften ... Diese Schulung schließt die Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen ... ein.
(5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung tertiärer Bildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. …“
Anm. (1) Fett gedruckt sind Begriffe der „Schattenübersetzung“; sie ersetzen die durchgestrichenen der regierungsamtlichen Übersetzung.
Downloads:
Schattenübersetzung der UN-BRK Dieser Text
Staatenberichterstattung beim UN-Fachausschuss
Deutschland im Kreuzfeuer der Kritik
Im Rahmen der Staatenberichterstattung für die UN‑Behindertenrechtskonvention (UN‑BRK) veröffentlichte der dafür zuständige UN‑Fachausschuss seinen Bericht über die Deutsche Berichterstattung. Das Ergebnis ging durch die Presse: eine harsche Kritik an Deutschland. So schloss sich der Fachausschuss weitgehend der Einschätzung im Parallelbericht des DIMR zu Art. 24 der UN‑BRK (Bildung) an: “In Deutschland herrscht in der Politik und auch in weiten Teilen der Gesellschaft ein verfehltes Inklusionsverständnis. So wird die Mehrheit der Kinder mit Behinderungen weiterhin nicht inklusiv beschult und wächst ohne Kontakt zu nichtbehinderten Kindern auf. Das Ziel einer inklusiven Gesellschaft ist so nicht zu erfüllen.“
Weniger beachtetet sind die Schlussbemerkungen; hier werden die staatlichen Stellen nachdrücklich aufgefordert, den Bericht der deutschen Gesellschaft – sowohl allen Ebenen von Regierung und Verwaltung in Bund und Ländern als auch dem zivilgesellschaftlichen Bereich, insbesondere den direkt Betroffenen und ihren Vertretungen – nicht nur barierearm zur Verfügung zu stellen, sondern zur Grundlage des Handelns zu machen.
Heute, ca. zwei Monate nach Veröffentlichung, ist keine deutsche Übersetzung des UN‑Berichtes verfügbar. Auf der Website des unmittelbar zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) findet man lediglich eine Pressemitteilung vom 31.8.23 mit einer die Tatsachen verdrehenden Überschrift „Deutschland ist auf einem guten Weg.“ Besser sieht es aus auf der Website des Bundesbeauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen: Die PM vom 29.8.23 ist deutlich realistischer und im Artikel vom 11.9.23 findet man im Text wenigstens den Link zum Original-Fachausschussbericht – in Englisch, Spanisch und Arabisch. Aber machen Sie sich selbst ein Bild, wie weit unsere staatlichen Stellen die Aufforderungen des UN‑Fachausschusses ernst nehmen. Wir müssen dran bleiben!
Download:
Dieser Text
Online:
Parallelbericht des DIMR Bericht des UN-Fachausschusses BMAS Bundes-Behinderten-Beauftragte
SchuleImFokus
Drei Schulen und zwei Architektur-Projekte, die zeigen, was geht.
Zum Herunterladen steht Ihnen die ganze Rubrik Schule im Fokus mit allen Artikeln zur Verfügung.
M. Z. Seifert: Schule muss sich ändern – aber wie? – Green Gesamtschule
– aber wie?
Das Team als Garant für eine sichere Lernumgebung.
Martina Ziila Seifert
Schule muss sich ändern – aber wie?
K. Becker: Wir nehmen die Kinder an die Hand ... – Pestalozzischule
und bieten Lern- und Lebensraum
Struktur und Transparenz schaffen Verbindlichkeit und Sicherheit im Alltag – für alle! Inklusion ohne darüber zu reden
Karina Becker
Wir nehmen die Kinder an die Hand und bieten Lern- und Lebensraum
C. Marianov, P. Ehrich: Lernen im Dialog – Feedback ... – Josephine-Baker-Schule
– Feedback und Rückmeldung über die Lernentwicklung an der Josephine-Baker-Gesamtschule
Struktur und Transparenz schaffen Verbindlichkeit und Sicherheit im Alltag – für alle! Inklusion ohne darüber zu reden.
Peter Ehrich, Clara Marianov
Lernen im Dialog – Feedback und Rückmeldung über die Lernentwicklung an der Josephine-Baker-Gesamtschule
M. Kricke, B. Pampe: 1+1=1 … wie eine gemeinsame Raumnutzung ... – Martin-Schaffner-Schule
… wie eine gemeinsame Raumnutzung inklusive ganztägige Bildung fördern kann
Ein WG-Konzept zur optimalen Nutzung von Raum und Zeit in der Ganztagsschule
KMaike Kricke, Barbara Pampe
1 + 1 = 1 … wie eine gemeinsame Raumnutzung inklusive ganztägige Bildung fördern kann
Montag Stiftung: Ganztag und Raum Martin-Schaffner-Schule Ulm
St. Niemann, H. Sancken: Schulen als Quartiersorte ... – Campus für lebenslanges Lernen
Das afrikanische Dorf im modernen Städtebau
Die Schule als Bestandteil des (afrikanischen) Dorfes
Stefan Niemann, Hartmut Sancken
Schulen als Quartiersorte Das afrikanische Dorf im modernen Städtbau
Forum L Bremen Campus für lebenslanges Lernen – Osterholz-Scharmbeck
zurDebatte
Dieter Zielinski beschäftigt sich mit dem Buch von Heinz Klippert
Dieter Zielinski
Die gelähmte Bildungsrepublik – Plädoyer für eine veränderte Reformpolitik
Leserbriefe
Wenn Sie zum vorliegenden Heft etwas mitteilen wollen, dann schreiben Sie uns bitte einen Leserbrief.
H. Klippert antwortet auf auf Dieter Zielinskis Besprechung
DOWNLOAD Der Beitrag erscheint in der Druckversion von Die Schule für alle Heft 2024/2.
Anmerkungen zu Dieter Zielinskis Rezension meines Buches „Die gelähmte Bildungsrepublik“ in Heft 4/2023
Lieber Dieter Zielinski,
zunächst einmal herzlichen Dank für die ausführliche Würdigung und Kommentierung meines Buches „Die gelähmte Bildungsrepublik – Plädoyer für eine veränderte Reformpolitik“. Leicht irritiert hat mich allerdings Ihre Kritik, dass für mich die Gesamtschule ein „tendenziell gescheitertes Projekt“ sei, obwohl sie nach Ihrer Ansicht viele Verdienste in punkto Bildungsaufstieg und Chancenerweiterung habe und deshalb aus der deutschen Schullandschaft nicht mehr wegzudenken sei. Habe ich wirklich etwas anderes geschrieben? Ich denke, hier werden zwei Ebenen vermischt, die dringend getrennt werden müssen: Nämlich einerseits die Ebene der Schulpolitik und andererseits die praktische Arbeit in den Gesamtschulen selbst. In vielen Gesamtschulen wird in der Tat mit hohem Engagement gefördert und gefordert und so manche/r Schüler/in zu deutlich besseren Bildungsabschlüssen als im selektiven dreigliedrigen Schulsystem geführt. Da kann ich Ihnen nur zustimmen.
Die Frage ist jedoch, ob diese kompensatorische Arbeit tatsächlich so tröstlich ist oder ob die Förder- und Integrationspotenziale der Gesamtschulen nicht sehr viel wirksamer zur Geltung kommen könnten, wenn das intendierte „gemeinsame Lernen“ nur politisch ernsthaft gewollt wäre. Diese Ebene der Schulpolitik habe ich gemeint, als ich vom tendenziellen Scheitern des Gesamtschulprojekts sprach. Blickt man nämlich auf die letzten fünf Jahrzehnte zurück, so stellt man fest, dass weder die flächendeckende Etablierung der Gesamtschulen noch die konsequente Kultivierung des gemeinsamen Lernens der Kinder ernsthaft im Fokus der Bildungspolitiker/innen stand. Im Gegenteil. Sieht man einmal von den anfänglichen Gesamtschulpräferenzen in SPD-regierten Ländern wie Nordrhein-Westfalen und Hessen ab, so gab es nie den ernsthaften Willen, die Gesamtschule als „Schule für alle“ zu profilieren.
Insofern gebe ich Ihnen Recht, dass es von Beginn an einflussreiche politische Kräfte gab, „die dafür gesorgt haben, dass sich Gesamtschulen nicht als pädagogische Alternative entwickeln konnten“. Genau das aber ist meine Kritik an der zurückliegenden Reformpolitik. Wurden doch die errichteten Gesamtschulen seit Mitte der 1980er-Jahre zunehmend in ein Korsett gezwängt, das sie zu immer größeren Zugeständnissen und Abweichungen von der Idee des „gemeinsamen Lernens aller Kinder“ zwang. Dadurch nämlich, dass die Gymnasien und Realschulen parallel ausgebaut und die Leistungen der Gesamtschulen bei den gelegentlichen Vergleichstests an gymnasialen Standards gemessen wurden, entstanden gleich vier Dilemmata: Zum ersten fielen die Testergebnisse relativ schlecht aus. Zweitens fehlten in den Gesamtschulklassen die von den Gymnasien und Realschulen absorbierten Leistungsträger und Verhaltensstabilisatoren, wodurch das gemeinsame Lernen zwangsläufig erschwert wurde. Drittens brachte es die „ausgedünnte Schülerschaft“ mit sich, dass viele Eltern die Gesamtschule mieden. Und viertens schließlich führten die gymnasial gepolten Stoffpläne dazu, dass die zeitlichen Spielräume für konsequentes soziales, kommunikatives, emotionales und methodisch-strategisches Lernen rapide schrumpften.
Stattdessen erhielten die Gesamtschulen die Auflage, zwecks Steigerung der kognitiven Leistungen ihrer (ausgedünnten) Schülerschaft massiv zu differenzieren und sowohl jahrgangsbezogene Niveaugruppen zu bilden (A-, B-, C-Kurse) als auch klassenintern Binnendifferenzierung mittels unterschiedlichster Materialien, Aufgaben etc. zu betreiben. Das gemeinsame Lernen aller Schüler/innen geriet dadurch zusätzlich in den Hintergrund. Da die neuen Medien (Laptops, Software, Arbeitsblätter etc.) diesen Individualisierungs-Trend noch weiter verstärken, stehen dem „Gesamtunterricht“ immer höhere Hürden entgegen. Besonders deutlich zeigt sich das in vielen „Gemeinschaftsschulen“, in denen die Gemeinschaftsidee inzwischen exzessiven Individualisierungsmaßnahmen Platz gemacht hat.
Wenn ich also davon spreche, dass das Gesamtschul-Projekt tendenziell gescheitert sei, dann richtet sich diese Kritik genau gegen dieses halbherzige Lavieren der Bildungspolitik und nicht gegen die praktische Arbeit in den bestehenden Gesamtschulen, in denen zahlreiche Lehrkräfte trotz mangelhafter Rahmenbedingungen und politisch gewollter „ausgedünnter Schülerschaft“ bewundernswerte Integrations- und Fördererfolge erzielen. Das beeindruckende Abschneiden einiger Gesamtschulen beim Deutschen Schulpreis belegt das. Trotzdem wäre es falsch, die Augen davor zu verschließen, dass diese „Leuchtturmschulen“ im Regelfall nur deshalb so erfolgreich sind, weil sich dort eine besonders engagierte, mutige, belastbare, ideenreiche, kooperationswillige und für Chancengerechtigkeit brennende Lehrerschaft ballt. Das aber kann und sollte man nicht voreilig verallgemeinern.
Meine Kritik entzündet sich also an dem Umstand, dass die hiesige Schulpolitik seit den 1960er-Jahren nie ernsthaft versucht hat, den Primat des „gemeinsamen Lernens aller Kinder“ nach finnischem, kanadischem, japanischem oder australischem Vorbild umzusetzen und das dreigliedrige Schulwesen zugunsten der integrierten Gesamtschulen aufzugeben bzw. auslaufen zu lassen. Finnland z.B. hat das Anfang der 1960er-Jahre aufgrund der demografischen Entwicklung in den ländlichen Regionen ganz bewusst getan und eine Art „Einheitsschule“ eingeführt und dann auch gleich die Lehrerbildung, Lehrerbesoldung, Stundentafeln, Curricula, Schulautonomie, Schulbaukonzepte, Halbtagsstruktur und vieles andere mehr verändert. Finnlands Erfolge bei PISA und anderen Schulbegutachtungen zeigen, dass sich diese Priorisierung der Integrierten Gesamtschule für alle gelohnt hat: für die Schüler/innen und Lehrkräfte; aber auch für die um Reputation bemühte Bildungspolitik.
So gesehen richtet sich meine Kritik gegen die föderale Kurzsichtigkeit hierzulande, die der Gesamtschulentwicklung von Anfang an einschneidende Fesseln angelegt und Bedingungen oktroyiert hat, die es bis heute schwer machen, die Potenziale der Integrierten Gesamtschulen überzeugend auszuschöpfen. Daran ändern auch die zum Teil sehr respektablen Fördererfolge in bestehenden Gesamtschulen nur wenig. Die Initiative „Schule für alle“ hat völlig Recht, wenn sie anmahnt, dass das gemeinsame Lernen viel radikaler gedacht und implementiert werden muss, als das bei uns der Fall ist. Wir brauchen unbedingt ein Mehr an „produktive Heterogenität“, damit das selbstregulierte Lernen in heterogenen Gruppen effektiver und chancenerweiternd werden kann. Wo aber bleibt dieser entschiedene Kampf gegen Bildungsungerechtigkeit, soziale Auslese und fortdauernde Diskriminierung im gegliederten Schulwesen? Warum wird nach wie vor so exzessiv äußere und innere Differenzierung betrieben und unter dem fragwürdigen Deckmantel des „individualisierten Lernens“ ausgeprägte Des-Integration betrieben – auch in Gesamtschulen?
Ich würde mich freuen, wenn die GGG diese bildungspolitische Debatte neu anstoßen und beleben würde. Die erwähnten PISA-Erfolge der mit „Einheitsschulen“ aufwartenden Länder Finnland, Kanada, Japan etc. könnten ein Anstoß dazu sein.
Mit kollegialem Gruß
Dr. Heinz Klippert
(Heinz Klippert ist ehemaliger Gesamtschullehrer, Lehrerfortbildner, Lernforscher, Unterrichtsreformer und Schulentwickler).